Pringle in Trouble
einzuhalten», sagte sie mißlaunig.
Gereizt raschelte sie mit ihren
Papieren. «Können Sie ihn vielleicht noch um halb elf einschieben?» Wilfred
nickte gleichmütig. Er bedampfte, badete, massierte alles, was ihm unter die
Hände kam. Wer oder wann, war ihm egal.
«Sehr schön», sagte Miss Fawcett
befriedigt. «Sonst hätte ich nämlich Mr. Powers bitten müssen, seinen Termin um
halb zehn zu verschieben, und das wollte ich doch möglichst vermeiden. Er hat
in letzter Zeit soviel durchmachen müssen, der Ärmste.» Sie war in jenem
Stadium der Ergebenheit, wo das bloße Aussprechen des geliebten Namens schon
die Erfüllung aller Wünsche bedeutet. «Wir müssen jetzt alles tun, um ihm zu
helfen, mit dieser... Krise fertig zu werden.» Die beiden Männer wußten nicht,
was sie sagen sollten, ihnen war das Ganze nur peinlich. Miss Fawcett hingegen
nahm ihr Schweigen als Einverständnis. Glücklich klapperte sie auf ihren hohen
Absätzen davon.
Der scharfe Strahl walkte Hughs Körper,
so daß sich das Fett wellenartig kräuselte. Aus einiger Entfernung hörte er
weibliche Stimmen; es klang jedoch alles ganz friedlich. Wenn er doch bloß
Clarissa endlich erwischte und ihr alles erklären könnte! Aber würde sie ihm
überhaupt glauben? Marion hätte ihm nicht geglaubt, da war er sich sicher. O
Gott, Marion! Er hatte sie völlig vergessen. Mühsam unterdrückte er einen
Seufzer.
Eine Meile entfernt, im Park, war Miss
Brown nun zum drittenmal gezwungen, auf der Stelle zu laufen. Kraftvoll
stampften ihre Beine auf und ab, während sie leise vor sich hin murmelte.
Dieser Mr. Powers strengte sich ja überhaupt nicht an. Dabei war sie extra
langsam gelaufen — sie hatte erst die Hälfte ihrer normalen Route — und
trotzdem blieb er immer wieder zurück. Aber allmählich mußte er doch nun
wirklich auftauchen...
Jonathan hielt unterdessen erschöpft
einen Baum umklammert. Seine Harold Abrahams-Shorts hingen ihm schlabberig um
die dürren Beine. Zweihundert Meter cross country hatten sie ihrer
Stärke und Jonathan seiner Energie beraubt. Er atmete schnell und flach, sein
Körper lechzte nach Ruhe und vor seinen Augen hing ein roter Schleier. Er hatte
das Gefühl, als habe er die ganze Grafschaft durchquert, und das auf Pfaden,
die jedes Schaf, das noch bei klarem Verstand war, strikt abgelehnt hätte, und
in einem Tempo, das Superman würde vor Neid erblassen lassen, wüßte er nur
davon. Atemlos war er über verholzte Heideflächen gestolpert, unter denen
scharfe Gesteinsbrocken verborgen lagen, die ihm die Haut in Fetzen vom Fleisch
gerissen hatten. Und jede Abkürzung in Yorkshire — jede! — , das hatte er
inzwischen gelernt, führte unausweichlich in ein verführerisches smaragdgrünes
Sumpfloch. Das erste hatte er Jesus gleich zu überwinden gesucht, indem er mit
ausgestreckten Armen, eingeknickten Beinen und auf Zehenspitzen, so schnell er
konnte, darüber gerannt war, in der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden. Doch
gleich der erste Versuch mißlang, und das Sumpfloch hatte ihn unbarmherzig in
sich hineingesogen.
Eine eklige, klebrige Flüssigkeit hatte
die schleimige Oberfläche durchbrochen und einen faulig-ätzenden Gestank
entwickelt, wie er ihn so schlimm noch nicht einmal aus den Pissoirs kannte.
Miss Brown hörte ihn vor ferne schreien und lief zurück. Verwundert fragte sie
sich, warum er nichts gegen seine mißliche Lage unternahm, vielmehr immer
tiefer und tiefer in die stinkende Brühe glitt, bis ihr aufging, daß er
offenbar darauf wartete, von ihr herausgezogen zu werden.
Jonathan hatte das Gefühl, als ob der
Schleier vor seinen Augen immer undurchdringlicher würde. Er wurde blind — ganz
klar! «Wie... weit... ist es noch?» erkundigte er sich mit schwacher Stimme.
«Nicht mehr weit, nur noch ein-,
zweihundert Meter.»
Sie versuchte, nicht allzu ungeduldig
zu klingen. Aber seinetwegen hatte sie bereits die Sauna verpaßt. Auf die
Gymnastik wollte sie nun nicht auch noch verzichten.
«Kommen Sie, Mr. Powers. Sie müssen
Ihrem Körper auch mal etwas abfordern; es hat keinen Zweck, seinen Schwächen
immer nur nachzugeben.»
Zögernd trennte er sich von seinem
Baum; schließlich mußte er sie ja in Sichtweite behalten. Was war sonst, wenn
er hinfiel? Würde man ihn überhaupt finden? Seinem Körper etwas abfordern! Er
lachte höhnisch. Er hatte die Schmerzschwelle nicht nur überschritten, sondern
weit hinter sich gelassen — stand quasi an der Pforte zum Jenseits, und der
Ausblick, der
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