Pringle in Trouble
auch ein guter
Ausgangspunkt, nicht wahr, meine Liebe?» Mrs. Rees war offensichtlich dabei,
sich wieder zu erholen.
«Ich glaube, ich versuche mal, Cognac
aufzutreiben», sagte Clarissa und ging zur Tür.
«Wollen Sie wirklich?» In Mr. Pringles
Frage schwang unüberhörbar eine Bitte mit, und Clarissa mußte lächeln.
«Wenn ich welchen finde, komme ich mit
der Flasche hierher zurück.»
Nachdem sie gegangen war, fühlte sich
Mr. Pringle extrem schutzlos. Angestrengt starrte er auf das Muster des
Teppichs zu seinen Füßen, als ob ihm von dort Inspiration zuteil werden würde,
während er krampfhaft überlegte, welche Frage er als nächste stellen könnte,
ohne eine erneute Boshaftigkeit zu provozieren. Mrs. Rees saß derweil in
Gedanken versunken. Der Kick, den sie aus ihrer Enthüllung gezogen hatte, war
verflogen, was blieb, waren die Erinnerungen an die Widerlichkeiten und
Gemeinheiten ihres Lebens mit George.
«George heiratete mich, da war ich eine
junge Witwe mit Kind», begann sie nachdenklich. «Ich hatte bis dahin ein sehr
behütetes Leben geführt, selbst noch während meiner Ehe mit Harold. George
wußte das. Ich glaube, er hat angenommen, er könne mich noch... formen und dazu
überreden, seinen sämtlichen Wünschen entgegenzukommen. Als ich mich weigerte,
suchte er anderweitig Trost. Doch in einer Hinsicht brauchte er mich immer
noch... als respektable Fassade sozusagen, die ihn vor möglichen...
unangenehmen Fragen bewahrte. Es war sein Glück, daß er eine Menge Geld hatte.
Es ist sehr viel leichter, ein ausschweifendes Leben zu führen — und dabei
nicht in Schwierigkeiten zu geraten — wenn man Geld hat... Er war
niederträchtig und schlecht... sowohl was seine Beziehungen zu Frauen als auch
zu Männern anging... Vor allem aber war er gewalttätig. In diesem Punkt waren
Valter und er sich gleich — und beide sind sie einen schrecklichen Tod
gestorben.»
«So?»
«George beging Selbstmord. Es war,
glaube ich, nicht eigentlich beabsichtigt und passierte nur deshalb, weil es
mir nicht gelang, rechtzeitig Hilfe herbeizuholen.»
Mr. Pringle hörte ihr sehr aufmerksam
zu.
«Er kam an dem Abend völlig betrunken
nach Hause und war in sehr schlechter Stimmung — offenbar hatte er mit jemandem
Streit gehabt. Er fing an zu telefonieren. Er drohte und flehte, aber sein
Gesprächspartner am anderen Ende, ob nun Frau oder Mann, das weiß ich nicht,
weigerte sich offenbar, ihn zu treffen. Er hatte sich in letzter Zeit schon
häufiger Ablehnungen eingehandelt — seine Neigungen waren zu diesem Zeitpunkt
für manche wohl doch schon zu roh und gewöhnlich geworden.» Der Kontrast
zwischen ihrer ruhigen, kultivierten Alt-Damen-Stimme und dem, was sie erzählte,
war für Mr. Pringle eine verstörende Erfahrung.
«Das alles muß für Sie außerordentlich
bedrückend gewesen sein.»
«Nun ja... Irgendwann im Verlauf des
Abends muß George dann in die Garage gegangen sein, einen Schlauch vom Auspuff
ins Wageninnere geleitet, sich hineingesetzt und den Motor angelassen haben.
Ich glaube noch heute, daß er eigentlich bloß vorhatte, Wirbel zu machen,
seinem letzten Liebhaber oder seiner letzten Liebhaberin zu beweisen, wie
verrückt er nach ihm oder ihr sei. Als ich ihn fand, lebte er noch, aber ich
bekam die Wagentür nicht auf. Die Polizei stellte hinterher fest, daß er sie
von innen verriegelt hatte. Die Scheibe einzuschlagen fiel mir nicht ein. Als
dann endlich Hilfe eintraf, war George schon tot.»
«Hinterließ er einen Abschiedsbrief?»
fragte Mr. Pringle leise.
Sie blickte ihn nicht an. «Falls ja, so
hat die Polizei ihn jedenfalls nie gefunden.»
«Und Ihr erster Mann Harold? Wie ist
der gestorben?»
Sie sah ihn noch immer nicht an. «Er
hatte ein schwaches Herz», sagte sie knapp. Sie hatte eigentlich vorgehabt, ihm
von ihrer Entdeckung zu erzählen, aber jetzt entschied sie sich dagegen. Seine
unvermutete Frage nach Harold hatte sie irritiert. Sich die Stola enger um die
Schultern ziehend, sagte sie: «Könnten Sie sich vielleicht um das Feuer
kümmern? Die Nachtkälte macht sich bemerkbar.»
Während Mr. Pringle gehorsam Holz
nachlegte, sann er vergeblich darüber nach, ob damit seine Frage nun
beantwortet war oder nicht.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurden
Scheinwerfer aufgebaut, so daß die Froschmänner mit ihrer Arbeit fortfahren
konnten. Von ihren Fenstern beobachteten die Gäste, wie da Müll von
Jahrhunderten zutage gefördert wurde. Keiner von ihnen hatte auch nur
Weitere Kostenlose Bücher