Pringle vermisst eine Leiche
noch nicht fertig. Bei dem Glück, das wir zur Zeit
haben, stammt unsere Schnur bestimmt von dem letzten Knäuel, das sie prüfen.
Sie haben übrigens im Labor inzwischen herausgefunden, daß die Schnur um Hände
und Füße der Toten von ein und demselben Knäuel stammen muß, die Schnur um
ihren Hals jedoch von einem anderen, Gewicht und Stärke sind verschieden. Die
Labortechniker klagen schon, daß ihnen die Augen wehtäten. Ist auch kein
Wunder. Sie sind die ganze Nacht auf gewesen und haben nichts als Bindfäden
gesehen, kilometerlang Bindfäden.»
«Ich hoffe, die beeilen sich
ein bißchen mit ihren Untersuchungen, ich brauche das Ergebnis...» Andrews war
aufgestanden und begann ungeduldig im Zimmer umherzuwandern. «Ich glaube
nämlich, daß die Schnur, mit der das Opfer erdrosselt wurde, von einem der
Knäuel stammen muß, die wir eingesammelt haben. — Ja bitte?» Ein Beamter war im
Türrahmen erschienen.
«Wir haben eine Spur von
Simmons und Winstead. Sie haben gestern um 22. Uhr in Felixstowe die Fähre
genommen und sind heute morgen in Zeebrügge eingetroffen. Vermutlich sind sie
jetzt auf dem Weg in die Niederlande, sie haben nämlich in Rotterdam eine
Wohnung. Praktischerweise gleich über einer Kunstgalerie.»
«Setzen Sie sich mit den
Kollegen in Rotterdam in Verbindung. Ich möchte, daß die beiden verhaftet
werden. Verdacht auf versuchte Vergewaltigung. Und die beiden sollen unter
allen Umständen getrennt untergebracht und verhört werden. Wissen wir übrigens
schon, wo Oliver Kenny steckt?»
«Nein, bis jetzt noch nicht.
Bei der Kreisverwaltung, wo er bisher arbeitete, hat er seine neue Adresse
nicht hinterlassen.»
«So, so. Dann sollten wir noch
einmal seine Frau aufsuchen. Ist Mr. Leveret inzwischen etwas gesprächiger
geworden?»
«Die Kollegin Tyler ist seit
heute früh bei ihm und versucht, ihm gut zuzureden. Wir warten auch immer noch
darauf, daß die Bank uns endlich Auskunft gibt über seine finanziellen
Verhältnisse. Aber der zuständige Manager will mit den Informationen erst
rausrücken, wenn er mit Leverets Anwalt Rücksprache genommen hat. Und der ist
erst im Laufe des Vormittags wieder in seinem Büro erreichbar. Er hat eine
Woche Urlaub mit dem Hausboot gemacht, ist auf Kanälen rumgeschippert; deshalb
konnten wir ihn auch nicht erreichen.»
«Gibt es auf diesen Booten kein
Telefon?» fragte Andrews aufgebracht.
«Nein, und das ist für manche
ja gerade der Reiz an der Sache.»
«Ich will wissen, wie Mrs.
Leverets Testament aussieht, und dann brauche ich noch den genauen Text ihrer
Heiratsurkunde. Aber jetzt gehen wir erst einmal Mrs. Kenny besuchen.»
Miranda Kenny hatte sich noch
nie so gedemütigt gefühlt. Nicht nur, daß ihr Ehemann sie sitzengelassen hatte,
ohne ihr seine Adresse zu sagen, jetzt mußte sie dies zu allem Übel auch noch
zugeben — ausgerechnet gegenüber einem Polizeibeamten. Und Detective Inspector
Andrews ging alles andere als zartfühlend mit ihr um.
«Kein Mensch verschwindet
einfach so spurlos von der Bildfläche, Mrs. Kenny», sagte er in scharfem Ton.
«Jeder geht an einen Ort, den er entweder schon kennt, oder zu dem er eine
besondere innere Beziehung hat. Wenn Sie sich ein bißchen Mühe geben würden,
dann fiele Ihnen bestimmt ein, welche Gegend für Ihren Mann in Frage gekommen
sein könnte. Sind Sie beide früher einmal irgendwo besonders glücklich gewesen?
Oder gibt es vielleicht einen Ort, den Ihr Mann aus irgendeinem anderen Grund
häufiger einmal erwähnt hat?» Es war natürlich auch möglich, daß Oliver Kenny
bei einer anderen Frau untergeschlüpft war, aber das wollte er nun doch nicht
andeuten, das sollte sie lieber selbst herausfinden, wenn dem denn so war. Als
sie wieder draußen vor der Tür standen, sagte er zu Mather: «Und jetzt auf zu
Leveret! Vielleicht hat Tyler ja inzwischen erreicht, daß er uns gegenüber
etwas weniger zugeknöpft ist.»
«Sir! Sir...» Vom Caravan her
kam ein Polizeibeamter auf sie zugelaufen. «Wir haben gerade ein paar wichtige
Informationen bekommen. Das Labor hat endlich die Schnur identifizieren können,
mit der das Opfer erdrosselt wurde, und der Anwalt von Leveret hat sich
gemeldet. Er hat gefragt, ob wir wüßten, daß Leveret früher Psychiatriepatient
gewesen sei.»
«Psychiatriepatient?»
«Ja, er war jahrelang in einer
Nervenklinik untergebracht. Dort haben er und Mrs. Leveret sich auch
kennengelernt. Sie hat ihn dann dort herausgeholt und überall behauptet, sie
seien
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