Prinz Charming
welch eine beschwerliche Reise sie auf sich genommen habe.
Offenbar merkte er, daß er zu unfreundlich gewesen war, denn am nächsten Morgen rüttelte er sie nicht wie üblich wach, sobald die Sonne aufging. Ebenso wie Victoria durfte sie bis neun schlafen, und sie wurden erst von Georgies Gelächter geweckt. Hunter war mit den Kindern zu einem Bach gegangen. Rasch schlüpfte Taylor in einen Morgenmantel und folge ihnen, während ihre Freundin beim Wagen blieb, um sich zu waschen und anzukleiden.
Das Gewehr neben sich, von hohen Bäumen überschattet, saß Hunter im Gras und beaufsichtigte die Zwillinge und Daniel, der gerade in seine Stiefel stieg.
»Du mußt deine Stiefel ausschütteln, bevor du sie anziehst«, wies Hinter ihn an.
»Warum?«
»Weil in der Nacht alle möglichen kleinen Tiere reinkriechen können.«
Beim Anblick ihrer Nichten stocke Taylors Atem. Splitterfasernackt spielten sie im Bach. Allie saß in den Wellen und kämmte ihre Puppe, Georgie hopste umher und planschte. Das seichte Wässer schimmerte glasklar.
Plötzlich wünschte Taylor, sie könnte sich zu den beiden gesellen, ihr Haar waschen und endlich wieder nach Rosenseife riechen, nicht nach Pferden und altem Leder.
»Mama!« rief Allie. »Ich frisiere mein Baby!«
»Das sehe ich.« Lächelnd trat Taylor näher.
»Guten Morgen, Mutter.«
Sie wandte sich zu ihrem Sohn. »Guten Morgen, Daniel. Hast du gut geschlafen?«
»Heute bin ich David. Ja, ich habe wunderbar geschlafen.«
Taylor ging zum Ufer und wurde von Georgie angespritzt. Zumindest nahm sie an, daß es Georgie war, weil das Kind unentwegt plapperte. Zur Belustigung ihres Publikums stieg sie ins Wässer und setzte sich in die Mitte des Bachs, mitsamt ihrem Morgenmantel und ihrem Nachthemd. Alle lachten schallend, und wenig später erschien Victoria, die sehen wollte, was der Lärm zu bedeuten hatte. Beim Anblick ihrer Freundin brach auch sie in Gelächter aus.
Während Taylor mit den Zwillingen spielte, kehrte Victo ria zum Wägen zurück, um Seife und Handtücher zu holen. Dann wusch sie Allie das Haar und ihre Freundin dem anderen kleinen Mädchen. David beteuerte, er sei von Kopf bis Fuß makellos sauber, und putzte eifrig seine Stiefel.
Taylor setzte die Zwillinge auf eine Decke neben Hunter, dann watete sie um eine Biegung des Bachs, der weiter unten in einen tieferen Teich mündete. Dort zog sie ihren Morgenmantel und das Nachthemd aus und nahm ein ausgiebiges Bad.
Unterdessen wartete Victoria am Ufer, Taylors Colt in der Hand, und gestand erst, nachdem die Freundin sich wieder angezogen hatte, sie wisse nicht, wie man mit Schußwaffen umgehe. Taylor versprach, ihr das beizubringen, sobald sie in Redemption angekommen seien.
Nun badete Victoria. Hunter schickte David zum Teich, mit dem Auftrag, herauszufinden, wie lange die Frauen noch trödeln würden. In unmißverständlichem Ton und laut genug, daß Hunter es hören konnte, erklärte Victoria, sie lasse sich nicht hetzen.
Taylor setzte sich auf eine Decke, legte die Waffe in ihren Schoß und begann, ihr Haar zu trocknen. Dabei beobachtete sie das andere Ufer, denn sie hatte eine Bewegung wahrgenommen. Ohne auf ihre Umgebung zu achten, seifte Victoria genüßlich ihr Haar ein. David langweilte sich und lief wieder zu seinen Schwestern, um mit ihnen zu spielen.
Wieder sah Taylor eine Bewegung. Sie kniff die Augen zusammen, um sie vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen, konnte aber nichts erkennen. Vielleicht war es nur der Wind, der durch die Blätter fegte. Und dann funkelten Augen. Gelbe Augen. Die Umrisse eines Körpers tauchten auf. Die Gestalt einer riesigen Katze ...
In einem ihrer Romane hatte Taylor gelesen, Katzen seien wasserscheu. Aber diese Wildkatze schien nicht zu wissen, daß sie sich fürchten mußte. Lautlos schlich sie zum Ufer, und Taylor stand langsam auf, den Colt gezückt. Die Katze setzte zum Sprung an, und Taylor wollte ihre Freundin warnen, aber plötzlich preßte sich eine Hand auf ihren Mund.
»Seien Sie still und rühren Sie sich nicht!« befahl Hunter leise, dicht neben ihrem Ohr, und Taylor erstarrte. Sie wagte nicht einmal zu nicken, ihm zu bedeuten, sie habe ihn verstanden. Als er sein Gewehr hob, wußte sie, was er befürchtete. Wenn sich ihre Freundin aus dem Wasser erhob, würde sie in die Schußlinie geraten.
Weder Taylor noch Hunter beachteten Victoria. Ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die riesige Katze.
Selbstvergessen ließ sich Victoria im Wässer
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