Prinz Charming
begriff nicht, worauf er hinauswollte, aber offenbar nahm er ihre Antwort sehr wichtig.
Sein Herz schlug wie rasend. Er wollte die Frage nicht stellen, die ihn auf der ganzen Reise nach Redemption gequält hatte, Tag und Nacht. Aber je länger er Taylor anschaute, desto schwerer fiel es ihm, Stillschweigen zu bewahren. Er war es so verdammt müde, das Leben eines Außenseiters zu führen, er wünschte sich ein Heim, eine Familie - und vor allem Taylor. Eine Zukunft ohne sie konnte er sich nicht mehr vorstellen. Sie war alles, was er jemals erträumt hatte - im Bewußtsein, er würde es niemals bekommen und auch nicht verdienen. Aber da stand sie, dicht vor ihm, und er brauchte nur nach ihr zu greifen. Sie würde ihn nicht abweisen. Aber sie mußte aus den richtigen Gründen bei ihm bleiben. Eine Frau, die sich ihm verpflichtet fühlte, wollte er nicht. Er brauchte nicht ihre Wertschätzung, sondern ihre Liebe. »Warum bist du mir davongelaufen?«
Erstaunt sah sie die Verletzlichkeit in seinen Augen. »Hast du das geglaubt? Diese Berge sind deine Heimat, und ich wollte dir so nahe wie möglich sein. Ich wußte, du würdest mich nicht hierherbringen. Damals sagtest du, dies sei nicht der rechte Ort für eine Lady. Aber dein Herz gehört hierher. O Lucas, verstehst du denn nicht? Ich bin dir nicht davongelaufen, sondern nach Hause gekommen.«
Offensichtlich hatte sie ihn nicht überzeugt, denn er musterte sie mißtrauisch.
»Ich habe dir so viel genommen«, fuhr sie leise fort, schuldbewußt, mit zitternder Stimme. »Deine Unabhängigkeit und Freiheit waren sehr wichtig für dich. Und ich stahl dir beides, wie ein Dieb in der Nacht. Ich habe dein Leben zerstört. Natürlich wußte ich, daß du mich nicht mit den Kindern allein lassen würdest. Dafür bist du viel zu edelmütig. Und ich wollte dir nicht all deine Träume rauben.«
»Dachtest du ernsthaft, ich würde dir erlauben, irgend etwas zu tun, was ich nicht selber wollte?«
»Aber du hattest doch gar keine Wahl! Jeder Mann sollte die Möglichkeit erhalten, seine Träume zu verwirklichen.«
»Und so bist du in meine Berge gefahren?«
Sie nickte. »Weil ich dachte, wir könnten hier so leben wie Daniel Boone und seine Frau... Manchmal ließ er sie jahrelang allein, das las ich in all den Geschichten. Aber er kam immer wieder und brachte ihr etwas zu essen. Ich glaube, sie war sehr zufrieden.«
»Und du hast dir eingebildet, so könnten auch wir leben?« fragte Lucas ungläubig.
Plötzlich fühlte sie sich wie eine Närrin. »Anfangs fand ich das ganz vernünftig. Aber dann besann ich mich anders. Auch ich hatte auf dieser Reise viel Zeit, um nachzudenken. Und ich hoffe, ich bin sogar ein bißchen erwachsener geworden. Zumindest habe ich etwas sehr Interessantes gelernt. Man darf nicht immer glauben, was man in Büchern liest. Nur weil es da geschrieben steht, heißt das noch lange nicht, daß es auch wahr ist.« Lächelnd blickte sie zu ihm auf. »Dafür gibt’s ein Beispiel. Katzen sind angeblich wasserscheu. Aber als Victoria in einem Teich badete, wollte sich ein Berglöwe auf sie stürzen, der sich kein bißchen vor dem Wasser fürchtete. Und jetzt glaube ich, Mrs. Boone wäre vielleicht doch nicht so zufrieden mit ihrem Leben gewesen, hätte sie ihren Mann wirklich geliebt. Dann müßte sie sich elend gefühlt haben - so wie ich, als du nach Chicago abgereist bist. Ich konnte einfach nicht aufhören, an dich zu denken.«
»Sag das noch mal«, flüsterte Lucas und dachte: Und laß mich anfangen, richtig zu leben.
»Ich fühlte mich elend.«
Nie zuvor hatte er so beglückende Worte gehört. Sein Gelächter hallte durch die nächtliche Stille, und eine bleischwere Last schien von seinem Herzen zu fallen.
Taylor verstand nicht, was ihn so amüsierte. Wußte er denn nichts Besseres, als sie zu verspotten, nachdem sie ihm ihre Verzweiflung gestanden hatte? Gekränkt trat sie zurück, aber er nahm sie blitzschnell in die Arme und drückte sie an seine Brust, obwohl sie sich verbissen dagegen sträubte.
Nie wieder würde er sie loslassen. Und er wollte sie glücklich machen, ihr alles geben, was sie sich wünschte oder brauchte. Von seiner Vergangenheit mußte sie nichts erfahren. Nur die Zukunft zählte. Seine Zukunft mit Taylor.
Seine Hand umfaßte ihren Nacken, bog ihr den Kopf nach hinten, und dann küßte er sie. Wie süß ihre weichen Lippen schmeckten...
Ihre Fingerspitzen strichen über seine Wange, den rauhen Stoppelbart. Erst jetzt, wo er
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