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Prinz Charming

Titel: Prinz Charming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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einem Puma, der ihn nicht angriff, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, seine eigene Haut zu retten.
    Mit dieser Geschichte hatte Lucas ihr erklären wollen, daß man niemals den Mut verlieren, niemals die Hoffnung aufgeben durfte. Wie lieb und einfühlsam ... Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war so leicht, diesen Mann zu lieben. »Genug!« flüsterte sie, um ihren Gedanken Einhalt zu gebieten. Wenn sie nicht aufpaßte, würde sie sich womöglich etwas wünschen, was sie nie bekommen konnte.
    Als sie aus dem Bett sprang, sah sie das Messer. Es lag auf dem Nachttisch. Atemlos starrte sie es an - ein unbrauchbares Jagdmesser mit stumpfer Klinge, der kostbare Besitz eines kleinen Jungen ...
    Also hatte Lucas seine eigenen Erlebnisse geschildert -natürlich mit einigen Übertreibungen, um die Geschichte interessanter zu gestalten. Das spielte keine Rolle. Taylor verstand die Botschaft. An diesem Morgen hatte er ihre bange Frage beantwortet. Niemals würde er aufgeben.

12
    Der bösen Nachricht Gift macht krank den Boten.
    William Shakespeare, Antonius und Kleopatra
    Als der Vier-Uhr-Zug ankam, wartete Taylor vergeblich auf Victoria. Sie war enttäuscht, aber nicht besorgt. Nur wenn in Boston alles reibungslos gelaufen wäre, hätte ihre Freundin die Geschäfte so schnell abwickeln können. Am nächsten Tag würde sie sicher in Cincinnati eintreffen.
    Während Taylor auf dem Bahnsteig stand, wurde sie von mehreren Männern belästigt. Einer mußte nur an die Manieren eines Gentleman erinnert werden, um seine Annäherungsversuche aufzugeben. Doch zwei andere ließen sich nicht so leicht entmutigen, nicht einmal von Taylors unhöflichem Tadel. Erst als sie ihr nach draußen folgten, bekam sie es ernsthaft mit der Angst zu tun.
    Im Passantenstrom auf der Straße schaute sie immer wieder über die Schulter. Entschlossen blieben ihr die beiden schäbig gekleideten Burschen auf den Fersen. Der größere, der einen breitrandigen, tief in die Stirn gezogenen schwarzen Hut trug, schmatzte ständig mit den Lippen, und der andere kicherte unentwegt. Allmählich geriet sie in Panik und sah sich verzweifelt nach einem Fluchtweg um.
    Ein dummer Fehler war ihr bereits unterlaufen, als sie den Bahnhof verlassen hatte. Wieso um Himmels willen war sie nicht in eine der wartenden Droschken gestiegen? Mit jedem
    Schritt lichtete sich die Menschenmenge, in der sie sich zunächst sicher gefühlt hatte. Die meisten Leute waren in verschiedenen Häusern verschwunden, und an der Kreuzung bogen die restlichen nach rechts oder links, bis auf ein älteres Paar, das geradeaus weiterging. Taylor beschloß, dieselbe Richtung einzuschlagen. In den Seitenstraßen würde sie sich wahrscheinlich verirren oder in einer Sackgasse landen.
    Inzwischen waren die beiden zwielichtigen Gestalten immer näher gerückt. Taylor raffte die Röcke und eilte die Straße entlang. Nun befand sich das ältere Paar zwischen ihr und den Verfolgern. Weiter vorn entdeckte sie mehrere Läden, und ihre Angst ließ ein wenig nach. Sie würde eines der Geschäfte betreten und um Hilfe bitten.
    Jetzt bereute sie, daß sie ihren Colt nicht mitgenommen hatte. In dieser kultivierten, eleganten Stadt war sie gar nicht auf den Gedanken gekommen, sie könnte vielleicht den Schutz einer Waffe brauchen. Als sie sich wieder einmal umdrehte, sah sie das ältere Paar in eine Nebenstraße biegen. Plötzlich war sie mit den beiden Rowdys allein. Sie hörte den kleineren laut lachen, und ihr Magen drehte sich um.
    Heller Zorn verdrängte ihre Furcht. So leicht wollte sie sich nicht geschlagen geben. Sie würde schreien, beißen, nach den Schurken treten und genug Lärm machen, um eine größere Menschenmenge anzulocken. Und wo zum Teufel steckte die Polizei, wenn man sie brauchte? Nun sah sie nur noch einen einzigen Ausweg - sie mußte den Allmächtigen anflehen, er möge ihr helfen. Bitte, lieber Gott, ein Wunder, nur ein ganz kleines Wunder ...
    Und das Gebet wurde erhört. Das Wunder manifestierte sich einen halben Häuserblock weiter vorn. Ein Waffengeschäft mit bunt bemaltem Schild. Gesegnet sei Mr. Colt, dachte sie beim Anblick der Pistolen im Schaufenster, dann eilte sie erleichtert hinein.
    Die Glocke über der Tür bimmelte und erregte die Aufmerksam des Ladenbesitzers, der ziemlich beängstigend aussah. Offenbar war der arme Mann in eine Feuersbrunst geraten. Brandmale übersäten sein Gesicht, den Hals und die Hände, und er hatte keine Brauen mehr. Wegen der Narben

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