Prinz für die Köchin
Tellern anrichtete und dabei vor sich hin lächelte.
»Hey, wenn du was zu sagen hast«, sagte Bastien leise und mit einem gefährlichen Unterton, »wieso sagst du’s dann nicht?«
Ohne aufzublicken, murmelte Dimitri etwas kaum Hörbares. Es klang beunruhigend wie: »Deine kleine englische Freundin konnte die Finger nicht von mir lassen, Alter.«
»Was?«
Dimitri schaute ihm direkt in die Augen. »Sie war echt ganz scharf darauf. Ist sie bei dir auch so?«
»Ach, Herrgott noch mal, Dimitri, halt doch die Klappe«, rief Imogen müde über die Schulter. »Bastien, hör nicht auf ihn.« Doch als sie aufblickte, sah sie, dass Bastien nicht mehr an seinem Posten stand. Er hatte sich auf Dimitri gestürzt, und die beiden rollten auf dem Boden herum und droschen auf das Gesicht des jeweils anderen ein. Entsetzt stürzte sie um den Tresen herum und versuchte vergeblich, sie zu trennen.
»Jungs!«, rief sie mit Tränen in den Augen. »Nicht streiten, bitte!«
Wie ein Riese in Siebenmeilenstiefeln durchquerte Monsieur Boudin mit wenigen Schritten die Küche. Ohne weitere Umstände zerrte er seine beiden sous-chefs am Kragen in die Höhe und stellte jeden wieder an seinen Posten.
»An. Die. Arbeit! Und du auch mit deinen roten Beeten!« Er hielt kurz inne, um eines von Bastiens Gemüsemessern auszuwählen. »Nimm das hier. Und sei vorsichtig – es ist scharf.«
»Kein Problem«, versicherte Imogen und gab sich alle Mühe, sich zusammenzureißen. »Ich kenne mich mit Profimessern aus.«
Sie nahm das Messer mit dem schweren Griff zur Hand und sah sich in der Küche um. Nach ein paar neugierigen Blicken in ihre Richtung hatten die anderen sich alle wieder ihrer Arbeit zugewandt. Dimitri und Bastien, beide rot im Gesicht und von ihrer Keilerei ziemlich zerzaust, schienen sich auch wieder gefangen zu haben. Imogen musste sich wie ein Profi benehmen. Sie atmete tief durch und machte sich daran, die roten Beete in möglichst dünne und gleichmäßige Scheiben zu schneiden. Sobald sie einen halbwegs ordentlichen Haufen zusammenhatte, nahm Bastien sie wortlos an sich und schnitt sie in Blütenblattform zurecht. Imogen machte weiter. Tatsächlich beruhigte das mechanische Arbeiten sie allmählich.
Sie nahm sich gerade eine der letzten roten Beete vor, als sie eine Pfütze aus hellerem roten Saft auf dem Schneidebrett bemerkte. Das war, wurde ihr mit einem wachsenden Gefühl der Unwirklichkeit klar, kein Saft, sondern Blut – ihr eigenes. Hilflos wandte sie sich zu Bastien um, dessen Augen beim Anblick ihres triefenden Fingers riesengroß wurden.
»Ich glaube«, murmelte Imogen, »ich kippe gleich um.« Und sie sank ihm in die Arme.
Es sollte noch schlimmer kommen.
Nachdem Monsieur Boudins hochgradig wirkungsvolle, wenn auch nicht eben sanfte Methode, ihr Eiswasser ins Gesicht zu kippen, sie wieder zum Leben erweckt hatte, sah Imogen zu, wie Bastien sich bemühte, das Blut zu stillen, während sie ganz vage die Bemerkungen ihrer Kollegen mitbekam:
»Mann – sieht aus, als ob das bis auf den Knochen geht«, meinte jemand.
»Ja, das muss genäht werden.«
»Mais non, mais non. Das ist doch bloß ein Kratzer!«
»Sie muss ins Krankenhaus.«
»Was? Soll das ein Witz sein?«
»Nein, Chef!«
»Ich wusste gar nicht, dass diese Küche jetzt eine Notaufnahme ist!«, brüllte Boudin. »Alles – ZURÜCK – AN – DIE – ARBEIT !«
Über das Getöse der unmittelbar darauf folgenden Massenpanik hinweg hörte Imogen, die mit dem Kopf in den Armen am Tresen lehnte, Boudins Stimme dicht an ihrem Ohr, forsch und sachlich. Er griff nach ihrer Hand. »Alors, wir machen ein Pflaster darum, ganz fest, so. Und dann einen von diesen Gummifingerlingen oben drüber, ganz eng. So. Très bien.« Imogen stieß einen Seufzer der Erleichterung und der Dankbarkeit aus. Jetzt würde er sie nach Hause schicken. Dem Himmel sei Dank.
»Hör zu, kleine assistante«, erklärte ihr Boss, »Bastien muss mit den Sardinenklößchen weitermachen, also richtest du alle Hummergerichte mit roten Beeten an.«
Ungläubig starte Imogen ihn an, aber Monsieur Boudin scherzte nicht. Ganz kurz fragte sie sich, ob ihr Boss noch ganz bei Trost war. Dann begegnete sie Bastiens Blick, und als sie ihn aufmunternd nicken sah, richtete sie sich auf und zwang sich, tief Luft zu holen. Sie hatte sich doch über den Mangel an Chancen in dieser Küche beklagt. Nun, hier bot sich eine! Sie würde sich der Herausforderung stellen und Boudin zeigen, wozu sie
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