Prinz für die Köchin
Di sagen?
»Okay, petite assistante« , sagte Monsieur Boudin in einem etwas sanfteren Tonfall als sonst. »Die beiden Jungs hier sagen, du musst wirklich ins Krankenhaus. Einer von den beiden kann dich hinbringen, sich vergewissern, dass du okay bist, und dann sehr schnell zurückkommen, sonst ist er gefeuert. Verstanden?«
»Ja, Chef! Danke, Chef!«
Als Nächstes galt es zu entscheiden, welcher ihrer beiden Kollegen die Patientin mit dem Lieferwagen ins Krankenhaus fahren und wer in der Küche die Stellung halten und sich bei Bedarf mit dem Pflaster-Drama herumschlagen sollte.
»Das ist genau das Grundproblem, das wir mit dir haben«, stellte Dimitri fest und betrachtete sie mit gespieltem Ernst. »Du musst dich zwischen uns entscheiden.«
Seufzend schüttelte Imogen den Kopf. Ihr Finger pochte schmerzhaft, und ihre Beine fühlten sich nicht allzu standfest an.
»Du siehst doch, wie schwach sie ist, oder?«, sagte Bastien. »Meinst du, diese Entscheidung kann vielleicht bis morgen warten?«
Dimitri fing Imogens Blick auf und lächelte. »Oder vielleicht willst du’s ja mal mit uns beiden versuchen«, sagte er in vertraulichem Tonfall und zog vielsagend eine Braue empor. »Denn damit wäre das Problem gelöst.«
Eine verlegene Pause entstand, während Imogen darüber nachsann, wie ungemein ungewöhnlich diese Situation für sie war. Sie kam sich vor wie Alice in der verrückten Spiegelwelt. War in einem wärmeren Klima wirklich alles so anders? Oder hatte sie irgendeine sonderbare Verwandlung durchgemacht? In London war es ihr stets gelungen, sich ungefährdet im Hintergrund zu halten, von Männern fast völlig unbemerkt. Hier dagegen war es, als bröckele ihre Tarnung allmählich ab und gestatte es den französischen jungen Männern, einen Blick auf … auf was zu erhaschen? Auf eine Art Verführerin, die darunter lauerte? Nein, das war doch bestimmt vollkommen lächerlich. Dimitri machte sich bloß auf seine typische, taktlose Art über sie lustig.
»Ach, halt die Klappe«, knurrte Bastien verärgert.
»Also, ich hab nichts dagegen, wenn du nichts dagegen hast«, gab Dimitri lächelnd zurück. »Warum lassen wir nicht die Dame entscheiden?«
»Ich werde auch entscheiden«, verkündete Imogen. »Bastien, kannst du mich bitte ins Krankenhaus fahren? Und was dich betrifft«, fuhr sie fort und funkelte Dimitri wütend an, »du bist widerlich und unverschämt.«
»Stets zu Diensten, chérie.«
Doch als sie in den Hof hinaustraten, verspürte Imogen Gewissenbisse. Fairerweise musste sie zugeben, dass Dimitri bei der Sache mit ihrem Finger überraschend freundlich und hilfsbereit gewesen war. Sie drehte sich um und sah ihn wieder an seinem Posten stehen, doch er schaute sie immer noch an. Stumm formte sie mit den Lippen das Wort »Danke«. Er nickte, formte mit den seinen »Kleinmädchendrama« und machte sich wieder an die Arbeit.
Nach einer schweigenden Fahrt saßen Imogen und Bastien im Wartezimmer des Krankenhauses nebeneinander, ohne sich anzusehen. Imogen war schwer versucht, nach Bastiens Hand zu greifen. Es gefiel ihr nicht, ihn traurig zu sehen. Gleichzeitig hatte sie Angst, dass er diese Geste falsch verstehen würde.
Mehrmals öffnete sie den Mund, war sich jedoch nicht recht klar darüber, was sie ihm sagen wollte.
Schließlich versuchte sie es. »Bastien …«
»Du brauchst nichts zu sagen«, wehrte er sanft ab. »Ich verstehe die Situation sehr gut.«
»Wirklich? Ich weiß nicht genau, ob ich sie verstehe.«
Bastien drehte sich zu ihr um, sah sie an und zuckte die Achseln. »Ich hätte nicht ausrasten sollen. Ich kenne Dimitri. Der sagt alles Mögliche, aber das meint er nicht so. Er ist stolz, und er verliert nicht gern sein Gesicht.«
»Mmm.« Im Stillen zog Imogen es in Erwägung, dass Dimitri sie auf seine verschrobene Art vielleicht doch gernhatte.
»Wahrscheinlich bleibt eine kleine Narbe zurück«, sagte die Krankenschwester später, während sie den letzten Faden abschnitt.
»Vergessen werde ich das bestimmt nicht so schnell«, meinte Imogen halblaut.
»Alle Köche haben Narben«, bemerkte Bastien und zeigte fröhlich beeindruckend geschundene Unterarme vor. »Das sind Zeichen von Tapferkeit im Einsatz. Du solltest stolz sein.«
»Ehrlich gesagt bin ich überhaupt nicht stolz«, erwiderte Imogen und sah ihn an.
Er nahm die Entschuldigung mit einem Nicken an und half ihr hoch. Später, als sie vor dem Paperback Wonderland hielten, klingelte Bastiens Handy: Es war Dimitri,
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