Prinz für die Köchin
Everett als Hauptverdächtiger einigermaßen zunichte. Sie und Bunny wechselten einen Blick, und Bunny zuckte die Achseln.
»Diese dämliche Weiberheld-Nummer wäre ’ne tolle Tarnung«, bemerkte Mitch scharfsichtig.
»Du wirst es jedenfalls bald rausfinden«, meinte Bunny. »Wenn du dir am Samstag seinen Set anhörst.«
Spät an diesem Abend fand Imogen eine E-Mail von Valentinskuss, mit dem kryptischen Betreff » OÙ ça?«. Sie enthielt ein Foto von einem taufeuchten Jasminzweig. Noch mehr Blumen! Kam das hier von Cheyenne? Sie versuchte, ihn sich vor seinem Laptop vorzustellen. Trug er immer noch sein Piratentuch mit der Feder, oder nahm er das ab, wenn er zu Hause ausspannte? Imogen kicherte. Um einiges schwerer vorstellbar war, dass sie körperlich so auf jemanden reagiert haben sollte, den sie nie besonders ernst genommen hatte. Allerdings traf es auch zu, dass ihre Erfahrung mit derlei Dingen äußerst begrenzt war. Sie war schließlich noch Anfängerin.
»Wie meinst du das – wo?«, tippte sie, ebenfalls auf Französisch und hoffte, dass der Absender gleich antworten würde. Dem war auch so.
»Find’s raus, und du weißt, wo du hinmusst.«
Das klang ja interessant.
»Wirst du dort sein?«
»Das kann ich nicht versprechen.«
»Warum nicht?«
»Du wirst sehen, der Ausflug lohnt sich.«
»Moment«, antwortete Imogen und tippte »Südfrankreich« und »Jasmin« in ihre Suchmaschine. Inmitten eines Wusts aus Werbeanzeigen für Ferienwohnungen tauchte etwas über Chanel No5 und die Jasminfelder von Grasse auf. Grasse – der Name war ihr schon früher auf der Straßenkarte aufgefallen. Eine weitere Suche ergab, dass Grasse »la capitale mondiale des parfums« war – die Welthauptstadt des Parfums –, wegen des günstigen Mikroklimas, das der Blumenzucht sehr zuträglich war. Dazu gehörte anscheinend auch tonnenweise Jasmin.
Inzwischen war es Imogen, deren Fantasie auf Hochtouren lief, eigentlich egal, ob es sich bei dem Absender der Mails um Cheyenne, Everett oder um irgendjemand anderen handelte. Sie wollte nur, dass der Austausch weiterging, und sie wollte wissen, was es mit dem Jasmin auf sich hatte.
Hätte sie innegehalten, um ihre Gefühle zu analysieren, so hätte sie gesagt, dass die Nachforschungen, die sie und ihre Freunde anstellten, nichts mit jener wunderbaren Welt zu tun hatten, die nur sie mit Wer-immer-er-auch-war teilte.
»Muss ich nach Grasse?«, tippte sie.
Sehr bald traf eine weitere Foto-Mail ein – wieder Fragonards Der heimliche Kuss – mit dem Betreff » KOMM AM MITTWOCH NACH HAUSE .« Also wusste er, dass Mittwoch ihr freier Tag war. Imogen furchte kurz die Stirn, dann tippte sie: »Ich nehme doch an, du meinst das Zuhause hier – nicht in London?«
»Ich meine sein Zuhause.«
Eine neuerliche rasche Suche ergab, dass Fragonard in Grasse geboren und das Haus der Familie in ein Museum umgewandelt worden war. Sie lächelte und tippte: »Nach was/wem soll ich Ausschau halten, wenn ich dort ankomme?«
»Erfreu dich an den Bildern. Sei früh da. Ich melde mich.«
Am nächsten Morgen zog Imogen die eng anliegende Jacke in Puderrosa und die dunkelblauen Caprihosen an, die sie sich vor Kurzem gekauft hatte und in denen sie laut Faustina zwei Nummern schlanker aussah als in ihren alten Sachen. Darunter trug sie zarte broderie anglaise -Unterwäsche. Das Ritual, wunderschöne, frivole Kleidungsstücke auszusuchen, die sie direkt auf der Haut trug, war wichtig für sie geworden, als Zeichen des Respekts sich selbst und ihrem Körper gegenüber. Das, begriff sie allmählich, war einer der Schlüssel zu dem Selbstbewusstsein, das Französinnen an den Tag legten. Sie liebten ihren Körper, hielten ihn in Ehren und hatten Freude daran, ihn zu verwöhnen.
Während sie mit Monty nach Grasse fuhr und sich eine CD mit Bossanova-Songs anhörte – genau der richtige Soundtrack für die mediterrane Landschaft –, sann Imogen darüber nach, dass ihre neue Umgebung, kombiniert mit dem belebenden Einfluss des Valentin-Mysteriums, eine Art Metamorphose in ihr ausgelöst hatte: Es war, als verwandele sie sich langsam in eine andere Imogen, in die südländische Version ihrer selbst.
Sie erreichte die Villa-Musée Jean Honoré Fragonard – ein großes, elegantes Haus zwischen hohen Palmen – gerade, als es öffnete. Als sie und Monty eintraten, blickte ein silberhaariger Mann am Empfang auf, betrachtete das Bild, das sie zusammen abgaben, und nickte fast unmerklich. Dann
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