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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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hässlichen Wand.
    Irgendwann begann Skaia wieder, gegen die Tür zu trommeln und zu schreien. Aber die Robolde reagierten nicht. Vielleicht hielten sie auch gar nicht mehr Wache. Vielleicht war die einzige, die Skaias Geplärr hörte, sie selbst? So wie sie die einzige war, die sich bedauerte. Keiner kümmerte sich um sie. Niemand hatte ihr etwas zu essen gebracht. Nie würde ihr Bruder sie hier finden. Sie war eine vergessene Gefangene. Und sie wusste nicht einmal, warum.
    Mit einem klangvollen Gongschlag meldete sich ihre Stundenkugel. Das erste Mal an diesem Tag. Wahrscheinlich war sie genauso verwirrt wie Skaia selbst. Kaum war ihr Ton verklungen, flog die Tür auf und einer der Wachrobolde trat ein. Er trug ein Tablett vor sich her. Als er es auf dem Tisch absetzte, sah Skaia, was neben Wasserkrug und Glas da im Teller dampfte. „Weiße Bohnen?“, rief sie.
    „Du essen!“, forderte der Robold Skaia auf. „Sehr gesund!“
    Missmutig setzte sich Skaia auf den Stuhl und stierte in die Bohnen, während der Robold wieder abzog. Sie stocherte im Essen herum, doch nach ein paar unwilligen Bissen merkte sie, wie sie der Hunger überfiel. Auch wenn sie Bohnen nicht ausstehen konnte ― sie machten wenigstens satt. Skaia hatte ihren Teller noch nicht leer gegessen, da ging erneut die Tür auf, und ein Robold im blauen Schürzchen eilte herein. Brummend stellte er sich neben den Tisch und wartete, bis Skaia nicht nur den Teller, sondern auch den Krug geleert hatte. Kaum hatte sie das Glas zum letzten Mal abgestellt und den Löffel in den Teller zurückgelegt, griff er sich Besteck und Geschirr. Sein Brustpanzer sprang auf und offenbarte eine ganze Reihe von Tellern, Tassen und Gläsern, Messern, Gabeln und Löffeln. An allen klebten Schaumkrönchen. Rasch steckte er Skaias Geschirr und Besteck dazu, und die Brust schloss sich wieder. Erneut begann er zu brummen. Zugleich zog er aus seiner Schürze einen Lappen, sprühte aus dem Mund eine zitronig riechende Flüssigkeit an die Wand und wischte mit einer einzigen Handbewegung den Schmutzstreifen weg. Dann klappte er seinen Arm aus. Er wurde immer länger. Als er den Boden berührte, knickte er zweimal um und hatte die Form eines Besens angenommen. Rasch kehrte der Putzrobold den Bücher- und Bretterhaufen aus der Zelle.
    Dann war Skaia wieder allein. Sie kam sich vor, als sei sie gerade selber weggeputzt worden. Als sei sie überhaupt nicht mehr da. Sie hatte nichts mehr zum Werfen, die Bohnen lagen ihr wie ein schwerer Sack im Magen, und sie war müde. Ihre Augenlider sanken nach unten. Skaia ließ es geschehen. Es gab ja sowieso nichts zu sehen. Oder zu tun. Oder zu sagen. Ob die Sonne wohl schon unterging? Sie konnte es nicht sagen. Dem Fenster gegenüber war eine weitere Wand. Das wusste sie. Dazu musste sie nicht einmal die Augen öffnen. Eine Wand mit einem mächtigen Schatten darauf. Ganz schwer. Und dunkelgrau. „Wenigstens nicht weiß“, dachte Skaia noch. Dann schlief sie ein.
    Doch es war kein tiefer, traumloser Schlaf, in den sie fiel. Vielmehr stürzte sie in dunklem Nichts einem bunten Etwas hinterher. Einem Karussell mit blinkenden Lampen. Auf einem der Pferderücken hüpfte der Kapellmeister herum und feuerte seine Instrumente an. Glöckchen und Flöte, Fagott und Zither, alles ritt dem Dirigenten hinterher und lärmte so laut, dass Skaia die Ohren klingelten. Untermalt wurde das Ganze von den dumpfen Schlägen der Trommel. Dann flog Kygo an ihr vorbei. „Erforschen, entdecken, erfinden!“, rief er ihr ernst zu ― und war schon wieder weg. An seine Stelle wurde Düster gewirbelt, der unkte: „Ein Unglück! Was für ein Unglück!“ Sofort packte ihn ein Putzrobold unsanft an der Gurgel, klappte ihn handlich zusammen und steckte ihn in seine Spülmaschinenbrust. Die Ratte, die die ganze Zeit auf der untersten Stufe des Karussells gehockt hatte, lachte sich ins Fäustchen und rannte schnell fort. Dann trudelte wieder der Kapellmeister samt seinem kleinen Orchester vorbei. Die Runde wiederholte sich. Alles von vorne. Alles noch einmal. So ging es immer im Kreise. Ohne Ende. Skaia wurde schwindlig und schlecht. Egal, wohin sie auch ihren Kopf drehte, um das Spektakel nicht mehr sehen zu müssen ― überall tauchte das Karussell mit seiner wilden Besetzung wieder auf. Ein Gongschlag dröhnte, und mit einem Mal regnete es Katzen. Weiße, schwarze, gescheckte. Und alle hatten einen dunklen Fleck auf der Nase. Als mindestens zehn von ihnen unsanft an

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