Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Weinblätter wickeln wollte. Doch als er eine der großen Dosen geöffnet hatte und auf das grüne Gewirr starrte, das in trüber Flüssigkeit schwamm, mochte er nicht loslegen. Inzwischen machte er sich Sorgen. Er ließ die Bohnen Bohnen sein und schlug den Weg zum Bezirksamt ein.
Dort traf er natürlich keinen Menschen mehr an. Die Leute waren alle zu Hause und bereiteten das Abendessen vor, damit sie sich bald zu Bett begeben könnten. Dennoch gab es jemanden, der Stellung hielt. An einem Schalter im Foyer saß der Abendrobold und nahm alles entgegen, was den Bürgern Dringendes auf der Seele brannte. Aldoro musste angeben, wie Skaia aussah, wie alt, wie groß, wie schwer sie war und wann er Skaia wo zuletzt gesehen hatte. Als der Robold auch noch die Noten von Skaias letztem Zeugnis wissen wollte, war Aldoro überfragt. Außerdem: Wozu sollte das denn wichtig sein, wenn man ein vermisstes Mädchen wiederfinden wollte?
„Das Zeugnis ist eine Entscheidungshilfe beim Erstellen der Dringlichkeitsstufe“, beschied der Robold Aldoro und forderte ihn auf, am nächsten Tag mit den entsprechenden Unterlagen wiederzukommen. Aldoros Drängen, auch ohne Zeugnis etwas zu unternehmen, die Suche nach Skaia wenigstens einzuleiten, entlockte dem Robold keinerlei weitere Reaktion. Er hatte sich einfach abgeschaltet. „Ach herrje, Schlafenszeit!“, wurde Aldoro klar, als seine Stundenkugel gongte. Da hatte es in Solterra keine Probleme mehr zu geben. Da herrschte Ruhe! Also war erst einmal nichts zu machen.
Ratlos trottete Aldoro nach Hause und aß etliche der Bohnen direkt aus der Dose, um mit dem Hunger auch die Angstbilder zu betäuben, die allmählich in ihm aufstiegen: Skaia mit gebrochenem Bein am Boden liegend, unfähig, sich nach Hause zu schleppen, Skaia wimmernd hinter einer Tür, die ins Schloss gefallen war und keinen Griff zum Öffnen hatte, Skaia leblos in einem wassergefüllten Bottich. Aldoro fand keine Ruhe. Lief wieder auf die Straße. Suchte die Wege ab, die Skaia normalerweise nahm. Zur Erziehungsanstalt, noch einmal zum Sonnenmast. Zum Haus des Wissens, wo Skaia ab und zu in einem der vielen Bücher nachschlug, wenn Klirr etwas nicht verständlich genug erklärt hatte. Auch zum Haus der Zeit schaute Aldoro. Selbst an der Burg, die Skaia so faszinierte, schlich er vorbei. Dann zog er immer größere Kreise rund um das Haus, in dem sie wohnten, ließ seinen Blick schweifen, soweit es nur ging. Er rief ihren Namen. Immer lauter wurde er dabei. Es war ihm egal, dass an einigen Fenstern Köpfe erschienen und ihn einen Randalierer schimpften. Dann wurden die Fenster zugeknallt, was wieder andere zum Schimpfen veranlasste. Aldoro war egal, was für ein Chaos er auslöste. Er hatte Skaia nicht gefunden und wusste nicht, wo er noch hätte suchen können. Auch wenn es ihm unerträglich schien, er musste auf das Ende der Schlafenszeit warten. Dann würde er sofort ins Bezirksamt eilen.
Er legte sich angezogen aufs Bett, um in aller Frühe los spurten zu können. Erst lag er stundenlang unruhig herum und konnte beim besten Willen nicht einschlafen, und als er doch einnickte, versank er in einen schweren Traum, der ihm vorgaukelte, er wälze sich noch immer wach auf dem Bett und sehne sich völlig erschöpft nach dem erlösenden Schlaf.
Als die Sonne schon ziemlich hoch stand, riss ein Geräusch Aldoro aus diesem Elend. Er fühlte sich völlig gerädert, blinzelte ins Licht und erschrak. Vor seinem Bett standen drei Robolde. Zwei von ihnen schienen darauf zu warten, dass ihnen der dritte Befehle gab. Der war allerdings noch damit beschäftigt, zwischen einem Monitor, den er aus seiner Brust geklappt hatte, und Aldoro prüfend hin und her zu blicken.
„Er ist es!“, verkündete er. Aldoro machte sich auf alles gefasst. Wahrscheinlich würden sie ihn wegen Ruhestörung zur Schlafenszeit vor den Richter schleifen. Oder sie waren von der Ernährungsanstalt geschickt worden, um den säumigen Schläfer zur Arbeit zu holen. Aldoro rutschte in seinem Bett ganz nach hinten und suchte Halt an der Wand, als der Oberrobold sich zu ihm beugte. An der Metallbrust prangte ein runder Magnet, auf dem „Hofrobold erster Kategorie“ stand.
„Oh Wertester, oh Sonne Solterras, wenn Ihr so gütig sein wollt, Euren Dienern zu folgen!“ In derart schwülstigem Tonfall, den Aldoro noch nie bei einem Robold vernommen hatte, wurde er darüber aufgeklärt, dass die Eingeweihten nach ihm geschickt hätten. Denn er sei
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