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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Blick gar nicht davon abwenden.
    Doch der Aufgedonnerte hatte etwas ganz anderes zu tun, als den Degen zu ziehen und heimliche Beobachter im Gebüsch aufzuspießen. Mit der einen Hand hielt er ein Blecheimerchen in den orange leuchtenden, hin und her schwankenden Strahl, mit der anderen fuhr er sich angespannt übers Kinn. Ganz plötzlich riss der Mann das Eimerchen aus dem Lichtstrahl und keuchte. Dann verschloss er das Eimerchen, in dem es orange waberte, mit einem Deckel. Der Strahl beruhigte sich derweil wieder. Genauso machte der Mann es bei den nächsten Lichterblumen, nur dass seine Grimassen jedes Mal anders ausfielen. Beim gelben Strahl riss er erstaunt die Augen hinter der großen, rosa Brille auf, beim violetten rannen ihm Tränen in Sturzbächen über die Wangen. Beim blauen entglitten ihm die Züge vollends. Er saß da und wimmerte wie ein Kleinkind, das von einem schleimigen Monster bedroht wird. Der Eimer in seiner Hand zitterte fürchterlich. Aber nur, bis er ihn beherzt aus dem Licht zog.
    „Und warum hat er nichts vom grünen Strahl genommen?“, wollte Mikolo von Skaia wissen. Selbst wenn sie eine Antwort darauf gehabt hätte, wäre es nicht mehr möglich gewesen, sie zu geben.
    Der Mann hatte Mikolo gehört. Mit forschendem Blick pirschte er genau auf den Busch zu, hinter dem sie sich versteckt hielten. Lauernd gab er Antwort: „Grün? Grün braucht kein Mensch. Grün ist das Leben von ganz alleine. Oder?“ Mit einem Satz sprang er nach vorne und stand direkt neben ihnen. „Publikum! Aber warum versteckt ihr euch denn, wenn ihr sehen wollt, was der große Prinzipal Papa macht? Hier ist es doch nicht schön ― viel zu grün! Hopp hopp hopp.“ Mit wedelnden Händen scheuchte er sie auf die Wiese.
    „Was hat er denn dauernd gegen Grün?“, flüsterte Mikolo Skaia zu. Als ob es keine wichtigeren Fragen gegeben hätte: Wer war der bunte Vogel? Was wollte er mit all den Farben? Und vor allem: Konnte er sie aus dem Wald führen?
    „Ich sage es euch: Grün ist die pure Langeweile! So ziemlich das einzige Gefühl, das ich in meinem Metier nicht gebrauchen kann.“
    Sein Metier, stellte sich heraus, war das Theater. Als „Prinzipal“ stand er einer Wandertruppe von Schauspielern vor, die durchs Land zog und die Leute erheiterte, überraschte und rührte. Manchmal auch mit Skandalstücken schockierte.
    „Wenn die Nerven der Zuschauer blank liegen, umso besser“, pries er seine Aufführungen. „Du brauchst nach einer tragischen Szene nur einen Brauttanz zu bringen und auf den Tanz ein Morden und Metzeln. Und scheue dich nicht, die Soldaten in Sciencefiction-Uniformen auftreten zu lassen. Umso aufregender sieht es dann aus, wenn die verwachsene Herzogin in einer Waffenkammer durch Öffnen aller Adern ermordet wird ― oder sollte sie dabei besser in einer Badewanne sitzen, was meint ihr?“
    Mikolo war sichtlich unbehaglich zumute. Je länger der Prinzipal von den verschiedenen Todesarten sprach, die man auf der Bühne effektvoll darstellen konnte, desto mehr rückte er von ihm ab.
    Der Theatermann bemerkte es nicht. Er beugte sich nur noch weiter zu ihm vor. „Sicher hast du gehört von der einen oder anderen unserer Inszenierungen.“ Da Mikolo nur verzagt dreinschaute anstatt begeistert zu bejahen, zählte der Prinzipal mit fragendem Unterton auf: „‚Der Fremde oder die Beleuchtung im Fischbehälter’.“
    Mikolo schüttelte den Kopf.
    „‚Der Papagei und die Gans oder die zwitschernden Perücken’? ‚Der wohltätige Derwisch oder die Schellenkappe’ ― auch unter dem Titel ‚Die Zaubertrommel’ bekannt ... Oder wenigstens: ‚Kasperl, der arme Zündhölzchenschnitzer oder: Die lebendig toten Eheleute’?“
    Skaia ging es wie Mikolo. Es war kein Titel dabei, der ihr etwas gesagt hätte. Wie auch? Der Ausflug ins Theaterhaus stand in Solterra erst in den letzten beiden Jahrgangsstufen auf dem Erziehungsplan. Aldoro hatte einmal von einem Stück erzählt, in das die Klasse mit Klirr gegangen war. Aber es hatte keinerlei Handlung gehabt außer der, dass zwei Männer auf der Bühne auf und ab gingen und sich gegenseitig die Naturgesetze Solterras erklärten.
    Mikolo sagte kleinlaut: „Ich bin nicht von hier.“
    Der Prinzipal richtete sich auf. „Soso.“ Er schien mit sich zu ringen, ob er das als Entschuldigung gelten lassen könne. Immerhin hakte er nach: „Woher stammst du dann?“
    „Aus Javónien.“
    „Ah!“ Ein wohliges Erkennen schwang in seinem Ausruf mit. „Hatten

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