Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Lippen, wenn sie von den zahllosen Aufführungen erzählte, die sie mit Papas Truppe erlebt und erlitten hatte.
Vor allem in den letzten Jahren war es offenbar schwieriger geworden, das Publikum zu begeistern. An manchen Reinfällen, so meinte Gura, war Papa allerdings auch selber schuld. Wer wollte schon eine Operette sehen, die im Titel „Eine Viertelstunde Stillschweigen“ versprach? „Richtig schlimm ist es, seit der Mond immer weniger wird. Die Leute sind verdrießlich. Doch anstatt zu uns zu kommen, um sich aufheitern zu lassen, bleiben sie in ihren Höhlen, Hütten und Häusern hocken. Schaffen es höchstens noch in die nächste Bar.“
„Bei uns daheim gehen die meisten zu Boxkämpfen“, warf Mikolo ein. Am fragenden Blick der Ballettmeisterin erkannte Skaia, dass Gura mit dem Einwurf genauso wenig anfangen konnte wie sie selbst. Aber Mikolo machte keine Anstalten, nähere Erklärungen abzugeben. Er wollte wohl lieber weiter Guras dunkler Stimme lauschen.
„Am schlimmsten ist es, seit uns diese Blitze heimsuchen mit ihrem grellen Licht und ...“, sie zögerte und schluckte, „... und seit der Mann mit den schwarzen Federn unterwegs ist. Keiner will ihm begegnen. Es gibt seltsame Geschichten über ihn.“ Unvermittelt brach sie in Tränen aus.
Tabbi war ganz anders. Während sie an den Spitzen ihrer blutrot gefärbten Haare kaute, musterte sie Skaia von oben bis unten. Dann gab sie ihr Urteil ab: „Ne schwarze Wickelbluse und ne lila Pluderhose. Was anderes hab ich nicht.“ Mit gezieltem Griff pflückte sie die Kostümteile von der Stange. „Genau, ‚Die Verführung im Serail’ war das. Eine der Sklavinnen war kleinwüchsig.“
Skaias eigene Kleider waren verschmutzt und zerrissen. Mussten gewaschen, genäht und gebügelt werden. Bis alles wieder in Ordnung war, tat es auch ein Kostüm. Skaia war nicht besonders angetan davon, als Sklavin herumzulaufen, aber sie musste es ja niemandem auf die Nase binden, zu welcher Rolle die beiden Kleidungsstücke gehörten.
„Fesch! So nett wie du hat die Kleine damals in der „Verführung“ nicht ausgesehen“, kommentierte Moll, ein Schauspieler mit eigentümlich alterslosem Gesicht. Schlucker, mit dem er sich gerade lautstark über eine Textpassage in der aktuellen Inszenierung gestritten hatte, hakte nach: „Ist das etwa eines der Sklavinnenkostüme?“
Nach den wenigen Minuten, in denen Skaia so ziemlich jedem im Wagenlager begegnet war, zeigte sich, dass nur Mikolo nicht wusste, was sie da trug. „Das ist ja toll“, strahlte er Skaia an. „Meinst du, ich kann auch so etwas Exotisches kriegen? Oder muss ich dazu erst meine Sachen schmutzig machen?“
Die Theaterleute lebten im Rhythmus von Probe und Auftritt. Während Schnauz, Schnock und Squenz bis kurz vor dem Eintrudeln der ersten Besucher albern blieben, wurde Gura mit ihren Kleinen umso strenger, je näher die Aufführung rückte.
„Es ist das erste Mal, dass sie mitspielen dürfen“, hatte sie Skaia erklärt. Und der Stolz, den Skaia bei den Kindern gespürt hatte, leuchtete auch in ihren Augen.
„Die Vogelkomödie“ hieß das Stück, dessen Premiere sie entgegenfieberten. An den Bühnenrändern hantierte Papa mit Scheinwerfern. Neben sich hatte er die Eimerchen gestapelt, mit denen Skaia und Mikolo ihn im Wald angetroffen hatten.
„Wo bleiben denn die beiden Musikanten?“ Gura blickte zu Papa hinüber. „Es ist dumm genug, mit den Papageni ohne Musiker zu proben. Aber wenn sie jetzt nicht rechtzeitig ...“
„Papperlapapp! Sie sind noch jedes Mal pünktlich gewesen.
Gura schüttelte unwillig den Kopf.
Als die Musiker kamen, besprachen sie sich in größter Ruhe mit Papa und Gura, die sich sichtlich Mühe geben musste, nicht loszuschimpfen.
Sie tat es erst, als sie zu Skaia an die gegenüberliegende Seite des Bühnenwagens kam: „Die beiden haben noch nicht mal ihre Noten geordnet. Und mit dem Notenständer kaspern sie auch immer so lange herum. Sollen sie sich einmal einen besorgen, der weniger kompliziert auseinander zu klappen ist. Ein ganzes Orchester würde nicht länger brauchen als Alferding und Isenbart mit ihrer Ziehharmonika.“
Skaia kannte die beiden Musikanten. Sie gehörten zum Quartett, das sie in der „UNVERMEID-BAR“ erlebt hatte. Auch der dritte Mann, den alle Wolf nannten, und die Sängerin Ola waren mitgekommen. Sie setzten sich aber in die letzte Zuschauerbank.
Die meisten Plätze blieben leer, obwohl Schlucker und Moll vor Stunden
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