Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
zusammengelegt, die Umhänge der Eingeweihten. Alle zwölf.
Was war denn nur geschehen? Skaia seufzte unglücklich. Wollte sie etwas darüber herausfinden, würde es sich nicht vermeiden lassen, in den Gängen der Burg nach Hinweisen zu suchen. Jetzt wäre sie froh gewesen um den Hut, der zum Hofrat gehörte. Als Tarnung.
Kaum war sie so lautlos wie möglich ins Treppenhaus getreten, hörte sie wieder die Stimmen, vor denen sie sich verbergen wollte. Sie konnte versuchen, in die Küche zu gelangen. Missjö Sufflee würde ihr am ehesten berichten, was vorgefallen war.
Doch bis in die Küche kam sie nicht. Im ersten Stock prallte Skaia beinahe mit Fräulein Martha zusammen. Die Bibliothekarin machte gerade noch rechtzeitig einen Hüpfer zur Seite und streckte dabei reichlich unelegant ihren Po heraus.
„Also, bitteschön ...“ Fräulein Martha schob ihre Brille zurecht und zupfte ihr Kostüm in Form. Als Skaia sich an ihr vorbeimogeln wollte, erhob sich die Drachenstimme: „Halt, stopp, so nicht!“ Das Fräulein bekam sie am Umhang zu fassen. Zog so fest daran, dass er Skaia würgte. „Nicht mit diesem Cape! Da lässt du doch nur Bücher drunter verschwinden.“
Skaia machte notgedrungen halt. Sie drehte sich ihrer Verfolgerin zu. „Ich komme ohne Ausweis sowieso nicht in Ihre Bibliothek, oder? Wie soll ich denn da etwas klauen? Und was überhaupt?“
Fräulein Martha stutzte. Konnte wahrscheinlich so viele Fragen auf einmal nicht beantworten. Oder wollte es nicht, denn sie stellte stattdessen eine Gegenfrage: „Kenne ich dich nicht?“
„Richtig, Sie kennen mich nicht!“, versuchte Skaia ihre geheime Mission zu retten und wollte den Überraschungsmoment nutzen. Sie schlug Fräulein Martha auf die Hand, die immer noch den Umhang festhielt.
Doch die war ebenso knochig wie entschlossen, ihre Beute nicht freizugeben. Während Skaias überlegte, den Umhang blitzschnell loszubinden, um ohne ihn zu entkommen, hörte sie: „Natürlich kenne ich dich. Du bist die Schwester des vertriebenen Herrschers. Was willst du denn noch hier?“
„Wieso vertrieben? Von wem denn? Und wohin?“ Die Fragen polterten aus ihr heraus.
„Wieso, wieso ... wieso wohl? Weil alles eine Lüge war. Weil sie den Sonnenkreis verloren haben oder so ähnlich. Frag doch den, der alles aufgedeckt hat. Ich muss mich jetzt um meine Bücher kümmern. Denn wenn ich nicht aufpasse, räumen seine Spürhunde noch alles aus.“
Auf einem Servierwägelchen klapperten Platten mit bunt belegten Häppchen vorbei. Der Robold, der damit in die Bibliothek einbog, erntete von Fräulein Martha einen vernichtenden Blick. Ohne Skaia anzuschauen, meinte sie: „Ich an deiner Stelle würde ja so schnell wie möglich ...“ Ihre Stimme erstarb. Dafür lief sie hochrot an. Mit ellenlangen Schritten, die Skaia ihr gar nicht zugetraut hätte, rauschte sie auf zwei Männer in grauen Anzügen zu, die aus der Bibliothek kamen.
Sie trugen jeweils einen Stapel Bücher vor dem Bauch. An die Brust hatten sie sich Sticker mit der Aufschrift „GEGEN LUG, GEGEN TRUG“ gepinnt.
„Nein, so geht das nicht! Ich muss das erst verbuchen. Und überhaupt: Das da ist aus der ‚Alten Bibliothek’“. Sie zog an einem braun eingebundenen Werk, das sich kaum von den anderen unterschied. Der Stapel geriet ins Wanken, die obersten Bände fielen zu Boden. Einer der Buchdeckel holperte ein ganzes Stück weiter. „Nein, nein, nein ...“, gab Fräulein Martha mit zitternder Stimme von sich, als sie in die Knie ging und die Opfer der Auseinandersetzung einsammelte.
„Die sind alle aus der ‚Alten Bibliothek’“, sagte der zweite Mann gereizt und schaute auf Fräulein Marthas Dutt herab. „Sie wissen doch ganz genau, dass dort die gefährlichsten Machwerke zu finden sind. Und jetzt entschuldigen Sie bitte ...“ Wenn er gedacht hatte, er könne seinen Weg fortsetzen, unterlag er einem Irrtum.
Fräulein Martha ließ die eben geborgenen Bücher fahren und klammerte sich stattdessen an ein Bein des Mannes. „Nein, nein, nein ...“, wimmerte sie, während er sie schimpfend über den Boden schleifte.
Skaia wandte sich ab. Von Fräulein Martha würde sie nicht erfahren, warum alles so anders geworden war.
Um die Ecke lagen ihre Zimmer. Skaia konnte sich nicht vorstellen, dass sie sie unverändert vorfinden würde. Vielleicht machte sich längst jemand anderer darin breit, und ihre Sachen hatte man in den Müll geworfen. Sie wollte einen Blick riskieren.
Die Türen waren
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