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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Pirouetten, die das Boot drehte, bis sie herausfand, wie sie die beiden Ruder einsetzten musste.
    Je näher sie der Insel kam, umso öfter fielen ihr die Haare ins verschwitzte Gesicht. Es war lästig, ständig die Ruderei zu unterbrechen, um die Locken wieder fortzuwischen. Wenn sie damit wenigstens auch die Zweifel hätte beiseite fegen können, die in ihrem Kopf herumhüpften und riefen: „Aldoro ist ja doch nicht auf der Insel. Was soll er auch da? Warten, bis sie ihn holen?“
    Lallahs Hinweis war unklar gewesen, und die Gefühle, die in Skaias Herz hockten, hielten nicht viel von Hoffnung.
     
    Die Sphinx hatte monströse Ausmaße. Allein die Löwenpranke war mindestens fünfmal so hoch wie Skaia selbst. Darüber erhob sich die steinerne Brust. Mit dem Kinn, einem Vorsprung von vielen Metern, begann das menschliche Gesicht. Es vereinigte harmonisch männliche wie weibliche Züge in sich.
    Skaia hatte keine Ahnung, wie man ins Innere einer Sphinx kam. So suchte sie den Koloss erst einmal ab. Gab es eine einladende Pforte oder wenigstens eine Unebenheit im Gemäuer, die einen verborgenen Zugang verriet?
    An der linken Pranke war ein Stück herausgebrochen. Die Trümmer, die sich gelöst hatten, lagen verstreut am Boden. Dort, wo sie fehlten, klaffte ein Loch. Skaia kletterte über bröckelndes Gestein und schaute in die Öffnung. „Aldoro?“, schrie sie. Ihr Ruf versackte ohne jeden Nachhall.
    Es fiel nur wenig Licht ins Innere der Sphinx. Aber genug, dass Skaia, die im matten Mondenschein so viel überstanden hatte, noch nicht einmal den Sonnenkreis aus der Tasche hätte ziehen müssen. Sie tat es trotzdem. Ein wenig sicherer fühlte sie sich ja doch, wenn er ihr um den Hals hing. Beruhigend mischte er seinen goldenen Glanz in den diffusen Schimmer, der hier herrschte. Fast schien es, als glänzten der Boden und die Wände. Über ihrem dunklen Rot lag eine glimmende Schicht.
    Es war nicht besonders bequem, sich durch den schmalen Gang zu quetschen. Ob Aldoro da überhaupt durchpasste? Hegte Skaia daran anfangs leise Zweifel, verlor sie sie, als sich die Röhre weitete. Dann gabelte sich der Weg. Skaia folgte dem Gang, der breiter war. Von da an hielt sie es immer so, wenn sie auf Abzweigungen stieß. Diese Taktik würde sie sicher ins Zentrum der Sphinx führen. Zumindest erschien ihr das logisch. Dass die größeren Röhren stets nach links führten, war beruhigend. So behielt sie die Orientierung für den Rückweg noch eher. Nach einer Weile ging es steil bergauf. Hätten nicht Stufen ihren Tritten Sicherheit gegeben, wäre Skaia nicht mehr weiter gekommen. Immer wieder rief sie den Namen ihres Bruders, doch nie schien ihre Stimme weit in die Gänge hineinzureichen.
    Irgendwann endete die Treppe, und vor Skaia eröffnete sich ein kleiner Raum. Von dort aus führte eine Leiter noch steiler nach oben. Aber in Skaia blitzte die Hoffnung auf, dass sie bereits am Ziel sein könnte. Denn in den Boden waren zwei mächtige Steinplatten eingelassen, die aussahen wie Pforten ― verschlossene allerdings. Nirgends waren Griffe zu entdecken, mit denen man sie hätte öffnen können. Um wenigstens einen Versuch zu wagen, stellte sich Skaia auf die linke Platte und grub ihre Finger in den winzigen Spalt zur rechten. Mit aller Kraft versuchte sie, den Stein zu bewegen. Doch es war nicht zu schaffen. Keinen Millimeter konnte sie das Ungetüm verrücken. Zornig stampfte Skaia mit dem Fuß auf. Unter ihr hallte es.
    Also war ihre Vermutung richtig: hinter den Pforten musste sich ein größerer Raum befinden. Und da man von außen die Steinplatten nicht öffnen konnte, war er ein ziemlich sicheres Versteck. Skaia stampfte noch einmal auf, wartete, bis der Lärm unter ihr verklungen war und ging in die Knie. Ganz nah am Spalt schrie sie: „Aldoro! Bist du da drin? Du kannst aufmachen! Ich bin es. Mach auf! ― Aldoro, Aldoro!“
    Außer ihren eigenen Worten, die aufgeregt nachklangen, konnte sie jedoch nichts vernehmen. War ihr Bruder vielleicht zu schwach, um zu antworten? Skaia vertrieb den Gedanken. Sie wollte nicht vor Augen haben, wie Aldoro sich vergeblich mühte, die beiden Platten hochzustemmen, und erst recht nicht, wie er, halb verhungert, sich an die Wand einer riesigen Halle kauerte, die sein pompöses Grab zu werden drohte.
    Doch Skaia konnte immer noch etwas unternehmen. Entschlossen bestieg sie die Leiter, die noch weiter in die Höhe führte. Sie konnte ebenfalls ein Weg zu der Halle sein. Anderen Menschen

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