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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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veranlassen. Unter dem Schock, den die Finsternisattacken ausgelöst hatten, musste den Menschen alles, was mit Dunkelheit zu tun hatte, verräterisch vorkommen.
    „Wir müssen etwas dagegen tun“, hatten sie gerufen.
    Und Klirr tat etwas. Rief das Komitee „Gegen Lug, gegen Trug“ ins Leben, das sich lossagte von allem Zweifelhaften.
    „Die Eingeweihten ― wer hat je ihre Weisheit geprüft?“
    Nicken lief durch die Menge.
    „Der Sonnenkreis ― vermissen wir ihn wirklich?“
    Gemurmel.
    „Die Burg ― warum dürfen wir nicht hinein, wann immer wir wollen? Die Bibliothek benutzen, die Tempel betreten?“
    Aufruhr erhob sich um Klirr.
    „Ich sage euch: Alles muss auf den Prüfstand.“ Klirrs Stimme schnappte über, und seine Äuglein traten fast aus ihren Höhlen. „Wir sind berufen, mit reinem Geist die Zukunft zu regieren!“
    Immer lauter wurde die Menge, immer überzeugter riefen die Versammelten: „Gegen Lug, gegen Trug. Gegen Lug, gegen Trug!“
    Auf jeden Fall tauchten irgendwann die Küchenrobolde von Missjö Sufflee am Vorplatz auf und reichten Kuchen, Gebäck und Kaffee. Beglückt stand der Koch im Seiteneingang der Burg, den er für den Service geöffnet hatte. „So viele Gäste, so viele!“, rief er und schlug einem Robold, der Pastetchen statt Nussecken aus der Burg brachte, auf den Kopf.
    „Hereingewagt haben sie sich erst nach ein paar Tagen. Als sie davon ausgehen konnten, dass die meisten Robolde akute Energieprobleme haben würden. Die Komitee-Mitglieder riefen, dass sie genug Strom hätten, obwohl die Sonnenmasten wegen der dauernden Lichtausfälle weniger produzierten als sonst. Die Torwächter waren die ersten, die ihren Dienst quittierten und zum Sonnenmast eilten.“ So dünn Lallahs Stimme inzwischen auch geworden war, vermeinte Skaia einen scharfen Unterton aus den letzten Worten herausgehört zu haben.
    „Und mein Bruder? Und die Eingeweihten? Warum haben sie nichts unternommen?“
    „Ich weiß nicht. Zwar schrie der Gute Herrscher im Sonnensaal so lautstark auf die Eingeweihten ein, dass man es noch hier unten hörte, aber die ersten beiden Tage lief der Betrieb in der Burg so weiter, als ob es keine besonderen Vorkommnisse gegeben hätte. Nur hier“, Lallah ließ die Augen durchs Zimmer schweifen, „war natürlich alles anders. Ihr Haupterzieher stand unten auf dem Platz und hielt Volksreden. Und Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Als ich mit den verbliebenen Erziehern beim Guten Herrscher vorsprechen wollte, wurden wir von den Eingeweihten abgewimmelt. Die Erzieher sind dann nicht wiedergekommen. Und ich habe immer wieder alle Räume der Burg nach Ihnen abgesucht, aber irgendwann war das zu anstrengend. Als dann die vom Komitee kamen, haben sie Ihre Sachen in den Schrank geräumt und behauptet, Sie kämen hier nicht mehr herein.“ Das, was kurz hintereinander auf Lallahs Gesicht erschien, war von ihren Programmdesignern wahrscheinlich unter den Begriffen „Lächeln, herablassend“, „Lächeln, verschwörerisch“, „Lächeln, beruhigt“ entwickelt worden. „Aber alles ist in Ordnung. Sehen Sie nur die Vorhänge. Wie entzückend heute das Farbenspiel der Sonne ...“ Es war kaum noch verständlich.
    Bevor sich Lallahs Stimme an der bereits tausendmal geführten Konversation endgültig aufrieb, musste Skaia einhaken: „Wo ist mein Bruder hin? Weißt du das?“
    Sie hauchte: „In der Sphinx, so heißt es ...“ Dann verstummte sie. Mit einem leisen Knacken gab sie den Geist auf. Der Kopf kippte nach hinten und blieb überstreckt an der Sofalehne hängen.
    Skaia konnte nur hoffen, dass Lallah nicht hatte sagen wollen: „In der Sphinx, so heißt es, gibt es die schönsten Vorhänge, aber wenn ich Ihre hier so sehe, kann ich es fast nicht glauben.“

 

Natürlich ging Skaia ein Wagnis damit ein, über den See zu rudern. Da gab es keine Schatten von Häusern oder Hecken, in deren Schutz sie sich bewegen konnte. Ein Boot, das auf die Insel der Sphinx zusteuerte, würde Aufmerksamkeit erregen. Wenn ein Mann im weißen Kittel oder im mausgrauen Anzug darin gewesen wäre, hätte es vielleicht nach einem Mitglied des Komitees ausgesehen. Aber ein Mädchen in dunklem Umhang? Skaia hatte auf dem Weg zu den Booten überlegt, ob sie sich verwandeln sollte. In einen Fisch vielleicht. Dann hätte sie kein Boot gebraucht, aber ihre Kleider zurücklassen müssen. Das wollte sie auch nicht. So saß Skaia nun als unverwandelte Dreizehnjährige im Boot, fluchte über die

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