Prinzessin meines Herzens
Waren mehr lieferte, würde Montebianco darunter leiden. Sein Volk war auf das Olivenöl, die Stoffe und das Erz aus Monteverde angewiesen. Natürlich konnten die Dinge woanders beschafft werden – aber zu welchem Preis? Wie viele Arbeitsplätze würden verloren gehen? Wie viele Haushalte würden ein geringeres Einkommen hinnehmen müssen?
Es war ein Geben und Nehmen zwischen den beiden Ländern. In Monteverde waren die Menschen auf Wein, Lederwaren und andere Erzeugnisse des täglichen Bedarfs aus Montebianco angewiesen. Nico hatte gehofft, dass Fürst Paolo darauf Rücksicht nehmen wurde. Doch offenbar war er sturer, als Nico vermutet hatte.
Madonna!
So gerne er auch den Kopf in den Sand gesteckt hätte: Es war an der Zeit, zum Palazzo Cavelli zurückzukehren. Seine Untertanen mussten wissen, dass er sich für ihr Wohlergehen interessierte und es ihm wichtiger war als sein eigenes Vergnügen. Er durfte sie nicht enttäuschen.
Am Tag vor seinem Tod hatte Gaetano zu ihm gesagt: „Du hättest der Kronprinz sein sollen, Nico. Du bist viel stärker und fähiger als ich. Montebianco braucht einen Mann wie dich.“
Nico hatte erwidert, dass er nicht so einen Unsinn reden sollte. Dass Gaetano ein guter Prinz wäre und ein guter Fürst werden würde. Sein Bruder hatte nur gelächelt.
Etwas später an diesem Tag hatten sie sich gestritten.
„Ich will nicht heiraten, Nico“, erklärte Gaetano wohl zum hundertsten Mal.
Nico war es leid, dass sein Bruder sich so zögerlich seiner Verantwortung stellte. Deshalb gab er zurück: „Manchmal muss man eben etwas tun, das man nicht tun will, Gaetano. Es ist deine Pflicht als Kronprinz und zukünftiger Fürst, zu heiraten.“
Gaetano sah ihn betrübt an. „Aber ich könnte ihr kein Ehemann sein.“
„Dio!“, rief Nico und fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs Haar. „Du brauchst sie doch nur zu schwängern, damit die Nachfolge gesichert ist.“
„Du verstehst mich nicht, Nico. Ich kann nicht, weil sie … weil …“
Nico wusste, was jetzt kommen würde. „Du kannst, und du musst“, war er seinem Bruder ins Wort gefallen.
Gaetano hatte bloß weggeschaut und geschluckt.
Bis heute bedauerte Nico, dass er seinen Bruder nicht hatte aussprechen lassen. Ich kann nicht, weil sie eine Frau ist, Nico.
Jeden Tag stellte Nico sich seitdem dieselbe Frage: Warum hatte er solche Angst davor gehabt, das zu hören, was er ohnehin schon gewusst hatte? Er hatte seinen Bruder geliebt. Für ihn hatte es keine Rolle gespielt, dass Gaetano schwul gewesen war. Warum hatte er seinen Bruder nicht einfach umarmt und ihm das gesagt?
Nun würde er nie mehr die Gelegenheit dazu bekommen. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages hatte Gaetano sich in seinem Wagen von der Klippe gestürzt.
Nico hätte alles gegeben, um ihn wieder lebendig zu machen. Doch das war unmöglich. Deshalb wollte er wenigstens sein Andenken ehren. Nico wollte zu dem Kronprinzen werden, den Gaetano in ihm gesehen hatte.
Er, Prinz Nico, würde seine Pflicht tun – egal, welche persönlichen Opfer er dafür bringen musste.
7. KAPITEL
Nico kam in Motorradkleidung zu Lily ins Zimmer und schwenkte einen zweiten Helm. „Komm, Liliana, wir machen einen Ausflug. Das wird ein Spaß.“
Auf Lily machte er allerdings einen ganz anderen Eindruck. Sie dachte bei sich, dass er eher angestrengt wirkte. „Ich … Ich bin noch nie Motorrad gefahren“, erwiderte sie. „Ich weiß gar nicht, wie das geht.“
„Du brauchst dich nur an mir festzuhalten.“ Mit seiner großen Hand umfasste er ihre Taille und zog sie an sich. „Das schaffst du schon, si?“
Als er ihr nun so nah war, glaubte Lily fast, sie müsste ohnmächtig werden. Würde sie dadurch um den Motorradausflug herumkommen? „Ich weiß nicht, ob ich mich dabei sicher genug fühle.“
Was Nico betraf, war nichts sicher. In den vergangenen Tagen war es ihm irgendwie gelungen, sie wieder so für sich einzunehmen wie in New Orleans. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten kümmerte er sich nun rührend um ihren Sohn. Lily wurde immer ganz warm ums Herz, wenn sie ihn mit Danny sah. Und Nico unternahm alles Mögliche mit dem Kleinen: Er brachte ihm Italienisch bei, machte jede Menge Blödsinn mit ihm und brachte Danny ständig zum Lachen. Wann immer sie Zeit zu dritt miteinander verbrachten, schmolz Lily ein bisschen mehr dahin.
Ein Kind zu haben veränderte die Menschen. Hatte es auch Nico verändert? War er gerne Vater? War ihm Danny so wichtig wie
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