Prinzessin oder Erbse
Schreibtischplatte aus und verschränkt die Hände auf dem Bauch.
»Fanny«, sagt er dann in einem bedrohlich ruhigen Tonfall, »Ihnen scheint irgendetwas nicht zu gefallen, und ich bin durchaus bereit, mir Ihre Klagen anzuhören. « Ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern, aber er schneidet mir das Wort ab. »Nur eines sollten Sie sich merken: Am Montagmorgen, nein, ich korrigiere mich, an jedem Morgen lassen Sie mich zuerst meinen Kaffee trinken. Vorher möchte ich von Ihnen kein Wort hören. Danach können Sie mich ansprechen, sich aufregen, was immer Sie möchten, aber erst nach meiner Koffeindosis. Haben Sie das verstanden?« Schweigend sehe ich ihn an, erhebe mich langsam von meinem Schreibtisch und gehe zur Tür. »Ob Sie das verstanden haben?«, wiederholt er laut und seine hellblauen Augen funkeln bedrohlich. Ich wende mich ihm zu und lächele mein strahlendstes Lächeln.
»Oh, Entschuldigung, ich wusste nicht, dass Sie die Antwort noch vor Ihrem Kaffee haben wollen. Sie lautet:
Ja, ich habe verstanden.« Damit drehe ich mich auf dem Absatz um und rausche aus dem Büro.
Nachdem ich meinen Chef mit Koffein versorgt habe, setze ich mich schweigend an meinen Schreibtisch und ignoriere Matthias, bis er nach etwa zehn Minuten übertrieben aufseufzt.
»Nun sagen Sie schon, was Sie zu sagen haben.«
»Was hat es mit dieser Frau aus Bruchsal auf sich? Wie konnte das passieren?«
»Wie das passieren konnte? Fanny, Fanny, das sollten Sie aber mittlerweile wissen.«
»Diese Geschichte kommt also tatsächlich von uns?«
»Selbstverständlich.« Er nickt zufrieden.
»Und ich nehme an, es hat nie eine Ex-Freundin namens Kati L. in Davids Leben gegeben?«
»Na, sind Sie jetzt erleichtert?« Er grinst so unverschämt, dass ich heftiger als beabsichtigt frage: »Und wer hat sich diesen Schwachsinn ausgedacht?« An der Art, wie das Gesicht meines Gegenübers verrutscht und sich seine Augenbrauen verärgert zusammenschieben, kann ich die Antwort ablesen.
»Ich.« Einen Augenblick lang schweigen wir einander an.
»Nun, ich finde die Geschichte nicht ganz … geglückt. Zum einen ähnelt das Ganze doch sehr dem aktuellen Handlungsstrang der Telenovela. Das könnte dem aufmerksamen Zuschauer irgendwann auffallen«, sage ich angesichts der finsteren Miene von Matthias diplomatisch, obwohl ich ihm am liebsten das BLATT um die Ohren hauen würde. »Außerdem verlieren wir David als Sympathieträger. Wollen wir das? Der Frauenschwarm
als Lügner und Betrüger? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich nicht negativ auf die Einschaltquoten auswirkt, wenn Davids Bild in der Öffentlichkeit beschädigt wird!«
»Weil Sie nicht die leiseste Ahnung haben, wie diese Branche funktioniert«, unterbricht Matthias meinen Redestrom. »Also halten Sie jetzt mal die Luft an.« Empört schließe ich den Mund und sehe ihn trotzig an. »Zunächst einmal sage ich Ihnen jetzt zum letzten, und zwar wirklich zum allerletzten Mal, dass Sie Ihre Schwärmerei für David bitte auf der Stelle einstellen.« Als ob das so einfach wäre. »Ganz offensichtlich werden Sie davon wesentlich in Ihrem Urteilsvermögen beeinträchtigt. Ich glaube nämlich, dass Sie ganz persönlich ein Problem damit haben, dass unser lieber David in der Öffentlichkeit Schaden nimmt. Könnte ich damit Recht haben?« Ich sitze vor ihm wie das Kaninchen vor der Schlange. »Sie möchten nicht glauben, dass David zwei Frauen gegeneinander ausspielt. Dass er ein Draufgänger, ein Lügner, ein Betrüger ist. Sie möchten ihn weiterhin als Märchenprinzen sehen, von dem Sie heimlich träumen. David ist aber nicht dazu da, um Ihre Kleinmädchenträume zu erfüllen. Er hat einen Job zu erledigen, und das macht er verdammt gut. Und wenn Sie glauben, dass diese Schlagzeile unsere Quoten drückt, dann schauen Sie sich das hier mal an.« Er reicht mir einen Zettel mit Zahlen, aber bevor ich auch nur einen Blick darauf werfen kann, fährt er fort: »Die Wochenendwiederholung am Samstag hatte die beste Quote seit Serienstart.«
»Ehrlich?«, rutscht es mir heraus.
»Ehrlich. Sie müssen eins verstehen, Fanny. Friede,
Freude, Eierkuchen verkauft sich nicht. Nachdem sich David und Nadja nun angeblich endlich gefunden haben, freut sich das Publikum vielleicht eine Woche mit ihnen. Aber dann will es Skandale sehen. Betrug, Eifersucht, Herzschmerz.«
»Und David hat nichts dagegen, dass er vor der ganzen Welt als Betrüger dasteht?«
»David weiß, dass das Teil seines Jobs ist.
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