Prinzessin oder Erbse
mir liegen zu haben, seufze ich tief. Ich wünschte, er würde sich für mich interessieren. Ich wünschte, ich hätte auch nur die geringste Chance bei ihm. Vielleicht sollte ich ihn mir lieber gleich und endgültig aus dem Kopf schlagen. Glaube ich denn ernsthaft, David könnte allen Ernstes auf einen rothaarigen, speziellen Typen wie mich stehen? Nicht wirklich. Aber immerhin hat er sich meinen Namen gemerkt, gleich beim ersten Mal, fällt mir plötzlich ein. Und es sieht eigentlich immer so aus, als würde er sich freuen, mich zu sehen. Vielleicht ist es reine Einbildung, aber sollte auch nur ein Funken Hoffnung bestehen, dann werde ich es versuchen! Julia hat Recht, schließlich habe ich nichts zu verlieren. Und
etwas straffere Schenkel könnten bei diesem Vorhaben nicht schaden. Schließlich habe ich mich vor allem in Davids Lächeln und seine grünen Augen verliebt. Da muss ich ihm im Gegenzug vielleicht auch eine gewisse Oberflächlichkeit zugestehen. Ich hebe den Kopf und sehe Julia und Felix in weiter Ferne davontraben. Da sollte ich wohl mal hurtig hinterher.
»Ich bin eine wunderschöne Frau, eine wunderschöne Frau«, summe ich vor mich hin, als ich am Montagmorgen auf das Studiogelände einbiege. Nach dem anstrengenden Wochenende mit dem eisern durchgezogenen Sportprogramm tut mir zwar jeder einzelne Knochen weh, aber ich bin guter Dinge. Julia hat mich offensichtlich so einer Art Gehirnwäsche unterzogen, denn so langsam beginne ich, die »Affirmationen«, die ich permanent vor mich hinbete, selber zu glauben. Ich bin eine wunderschöne Frau. Ich bin begehrenswert. Jeder Mann kann sich glücklich schätzen, mich zu haben. Ich parke mit Schwung meinen Wagen und hüpfe leichtfüßig die Stufen zu unserem Büro hinauf. Matthias ist natürlich noch nicht da, was mir ganz recht ist. So kann ich erstmal in aller Ruhe meinen Kaffee trinken, die aktuellen Klatschzeitschriften und das Internet nach Neuigkeiten durchforsten und den Terminkalender sichten. Mittagessen mit Nadja und David steht auf dem Programm. Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen steigt, und konzentriere mich darauf, tief in den Bauch zu atmen. Tatsächlich beruhigt sich mein Herzschlag wieder. Ich bin eine schöne, selbstbewusste Frau.
Eine Stunde vor unserem Termin bin ich dermaßen nervös, dass ich nicht mehr ruhig auf meinem Stuhl
sitzen kann. Also schnappe ich mir mein Handy vom Schreibtisch.
»Ich bin gleich wieder da«, flüstere ich Matthias zu, der mal wieder mit irgendeinem Journalisten am Telefon hängt und flüchte geradezu aus dem Büro. »Julia, ich werde wahnsinnig«, sage ich, kaum dass meine Mitbewohnerin sich am anderen Ende der Leitung gemeldet hat.
»Fanny, hallo. Ist es nicht herrlich?«
»Was ist herrlich?«
»Na, das Wetter. Endlich kommt der Frühling. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt.« Verwirrt sehe ich in den klarblauen Himmel hinauf. Vereinzelte weiße Wattewölkchen ziehen wie Schafe an mir vorüber und aus den winterkahlen Ästen der Bäume lugen die ersten grünen Blätterspitzen hervor. »Du solltest unbedingt deine Mittagspause nutzen, um einen langen Spaziergang zu machen.«
»Ich kann nicht, deshalb rufe ich dich an. Matthias und ich haben heute eine Verabredung mit Nadja und David zum Mittagessen.«
»Ach ja? Wieso das?«
»Na, um das weitere Vorgehen zu besprechen, nehme ich an.«
»Ist ja prima, dann kannst du gleich heute damit anfangen, ihm zu demonstrieren, dass du in keiner Weise an ihm interessiert bist«, kommt es fröhlich zurück. »Sei die Prinzessin, nicht die Erbse!«
»Wie meinst du das denn jetzt?«
»Ist doch ganz einfach. Du kennst doch das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse, oder nicht?«
»Klar.« Was will sie mir sagen?
»Für einen Mann bist du entweder die Prinzessin, die er wahnsinnig gerne in seinem Bett hätte und für die er alles tun würde. Oder die Erbse, die ihm den Schlaf raubt und die er gerne los wäre. Weil sie nervt. Verstanden? «
»Nicht so ganz«, gebe ich zu.
»Das ist ein Gleichnis«, erklärt Julia mir geduldig. »Sei die Prinzessin. Dräng dich nicht auf, sondern lass ihn ein bisschen zappeln. Dann wird alles gut werden.«
»Julia, bei mir klopft es an, ich muss Schluss machen.«
»Du schaffst das schon. Sei die Prinzessin, nicht die Erbse!«
»Ja, okay.« Ich lege auf. »Hallo?«
»Fanny, hier ist Matthias, wo stecken Sie denn?«
»Ich, äh, bin gleich wieder oben.«
»Bitte gehen Sie schon mal vor ins ›Luna‹, dort
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