Prinzessin oder Erbse
missglückten Karriere vollzujammern? Wahrscheinlich langweilt er sich zu Tode. Unsicher sehe ich ihn an. Besonders gelangweilt sieht er eigentlich nicht aus.
»Ich glaube nicht, dass man die Qualität eines Kunstwerkes wirklich daran messen kann, wie viele Leute es zu schätzen wissen. Wie viele Künstler sind schließlich erst posthum von der Welt anerkannt worden?« Jetzt fängt er schon genau so an wie mein Vater. Ob ich die beiden einander mal vorstellen sollte? »Stell dir mal vor, Kafka, Van Gogh oder Mozart hätten sich davon abhalten lassen. Das wäre doch wirklich schade drum gewesen. « Misstrauisch sehe ich ihn an. Will der mich verarschen? »Ein Lehrer von mir hat mal gesagt: Manchmal ist Erfolg einfach eine Frage des Durchhaltens.«
»Ich finde, ich habe lange genug durchgehalten«, sage ich müde. »Ich konnte einfach nicht mehr.«
»Das kann ich verstehen. Vielleicht tut dir eine Pause gerade mal ganz gut, um dich von den Rückschlägen zu erholen.«
»Ich mache keine Pause. Ich werde nie wieder schreiben. «
»Wieso nicht? Wenn es dich glücklich macht.« Irgendwie fühle ich mich in die Enge getrieben.
»Es macht mich aber auch unglücklich«, sage ich patzig.
»Schon gut, ich will mich doch gar nicht mit dir streiten. « Betreten sitzen wir da und drehen unsere leeren Gläser in den Händen hin und her. Mist, verdammter Mist! Das läuft aber wirklich alles überhaupt nicht nach Plan.
»Tut mir leid«, sage ich zerknirscht.
»Nein, mir tut es leid. Ich verstehe dich vollkommen.« Ach ja? Das möchte ich doch stark bezweifeln! »Schon klar, du denkst gerade, was weiß so ein erfolgreicher Serienschnösel, dem die Frauen in Scharen nachrennen, schon von einer gequälten Künstlerseele?« Ertappt zucke ich zusammen, und er grinst mich gutmütig an. »Ist schon gut. Aber ich war auch nicht immer erfolgreich. Ich habe über zwölf Jahre versucht, in diesem Geschäft Fuß zu fassen, und ohne undankbar klingen zu wollen, war eine Telenovela jetzt auch nicht das, wovon ich geträumt habe. Aber ich will mich nicht beschweren.«
»Moment mal, zwölf Jahre?«, frage ich, nachdem ich kurz im Kopf zurückgerechnet habe, »da übertreibst du doch jetzt wohl ein bisschen. Dann wärest du ja mit sechzehn von der Schauspielschule abgegangen.«
»Quatsch. Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich achtundzwanzig bin.«
»Sondern?«
»Versprich mir, es nicht weiterzusagen.«
»Von mir aus unterschreibe ich sogar eine Verschwiegenheitserklärung«, sage ich ironisch, aber natürlich versteht er den Witz nicht.
»Das wird wohl nicht nötig sein. Ich bin vierunddreißig. « Wann werde ich endlich begreifen, dass man in dieser Branche offensichtlich nichts und niemandem einfach so glauben kann? Ich freue mich wie eine Schneekönigin. Er ist in meinem Alter. Sogar ein bisschen älter.
»Jedenfalls, was ich damit ja eigentlich nur sagen wollte, es kann jederzeit passieren. Oder auch nicht. Auf jeden Fall sollte man tun, was einen glücklich macht, denn ob man damit Erfolg haben wird, kann man doch nicht beeinflussen.«
»Es sei denn, man versteht es, sich zu vermarkten«, sage ich grinsend.
»Das stimmt. Wer weiß, was das BLATT für van Goghs Karriere hätte tun können?«
»Stimmt! Die Nummer mit dem Ohr, das wäre eine Titelschlagzeile.« In diesem Moment bekommt David eine SMS.
»So ein Mist.« Unsicher sieht er mich an.
»Was ist denn?«
»Ein Kumpel von mir hat heute Geburtstag, ich hab es total vergessen, und jetzt fragen die mich, wo ich bleibe.«
»Oh.« Für einen Moment gelingt es mir nicht, meine Enttäuschung zu verbergen. Doch dann fange ich mich
wieder und winke großmütig ab: »Ist doch kein Problem. «
»Wirklich nicht?« Er sieht ganz zerknirscht aus. Oder ist er nur ein guter Schauspieler? Ist das ein abgekartetes Spiel? Hat er sich vorsichtshalber eine SMS schicken lassen, damit er, für den Fall, dass unsere Verabredung ihn langweilt, den Abend schnell beenden kann? Misstrauisch schiele ich auf sein Handy. »Aber es ist doch gerade so nett hier.« Plötzlich schäme ich mich meiner Gedanken.
»Das finde ich auch«, sage ich. »Aber trotzdem solltest du auf diesen Geburtstag gehen.« Eigentlich würde ich gerne hinzufügen, dass wir den Abend ja ein anderes Mal wiederholen können, aber damit wäre Julia bestimmt nicht einverstanden.
»Nochmal dasselbe für euch?«, erkundigt sich Lucy, und ich schüttele den Kopf.
»Nein, danke, wir wollen gehen.«
»Jetzt warte
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