Prinzessin oder Erbse
dich nicht so.« Er beginnt, um mich herumzutanzen, während ich reglos dastehe.
»David, das geht wirklich nicht. In den Schuhen«, vorsichtig hebe ich ein Bein in die Höhe, um ihm die Unmöglichkeit seines Anliegens zu demonstrieren. Mit einer schnellen Bewegung schnappt er sich meinen Fuß und öffnet den Reißverschluss des Stiefels. Schon fliegt mein teurer Schuh in hohem Bogen in den Sand. Dann kniet David vor mir nieder und entledigt mich auch des zweiten. Bei diesem Anblick bleibt mir fast das Herz stehen, und als er wieder hochkommt und die Arme um mich legt, lasse ich mich tatsächlich zum Tanzen animieren, und wir zappeln ausgelassen durch die Gegend.
»Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr«, keuche ich nach einer ganzen Weile und lasse mich schwer atmend zurück ans Lagerfeuer plumpsen.
»Was? Jetzt schon?«
»Kann ja nicht jeder für immer achtundzwanzig sein«, ziehe ich ihn auf, und er grinst.
»Wie wahr, wie wahr. Willst du noch was trinken?«
»Ja, bitte. Aber keinen Alkohol. Saft !« Kaum ist er weg, löst sich Melanie, die bis eben in inniger Umarmung mit ihrem Nebenmann vereint war, von diesem und wendet sich mir zu.
»Fanny, hör mal zu«, sagt sie hastig, »versteh mich nicht falsch, David ist ein guter Freund, und ich wünsche ihm nur das Beste, aber trotzdem will ich dich warnen.«
»Was? Wovor denn?«
»Vor David. Du weißt gar nichts von ihm. Und ein Blinder kann sehen, dass du total verschossen in ihn bist.«
»Ehrlich?«, frage ich peinlich berührt.
»Du solltest vorsichtig sein«, fährt sie fort und sieht besorgt David entgegen, der mit zwei Bechern zu uns zurückkommt. »Er hat seine Schattenseiten«, flüstert sie, wirft mir einen bedeutungsschwangeren Blick zu und wendet sich dann wieder ihrem Freund zu.
»Hier.«
»Danke.« Was war das denn jetzt bitte? Warum sollte eine Freundin von David versuchen, ihn vor mir schlecht zu machen? Will sie ihn vielleicht für sich haben? Aber so tief, wie die Zunge eines anderen gerade in ihrem Hals steckt, sieht es nicht danach aus.
»He, ist alles okay mit dir?«
»Ja, schon gut. Ich glaube, ich möchte nach Hause.«
»Okay. Warte, ich hole deine Schuhe.« Ich räuspere mich vernehmlich, um Melanie die Gelegenheit zu geben, ihre rätselhafte Warnung zu erklären, aber für sie scheint das Thema abgeschlossen. Verstimmt wende ich
mich von dem knutschenden Pärchen ab und beschließe, ihre Worte aus meinem Gedächtnis zu streichen. Da kann ja jeder kommen. Zum zweiten Mal an diesem Abend kniet David vor mir nieder und befreit meine Strümpfe sorgfältig vom Sand, bevor er mir die Schuhe wieder überstreift. Eine Sekunde länger als nötig hält er meinen Fuß in den Händen und sieht mich aus seinen wunderschönen Augen an. Und da soll man sich nicht wie Cinderella vorkommen.
Im Auto sitzen wir schweigend nebeneinander, und obwohl es nicht unangenehm ist, schalte ich schließlich den CD-Player an.
»Das ist ja das Lied von eben.« Ich will die Lautstärke hochdrehen, aber David ist schneller und schaltet die Musik aus. »Hee, was soll das?« Empört sehe ich ihn an und stelle fest, dass er knallrot angelaufen ist. Wie niedlich.
»Na toll, jetzt hältst du mich für einen selbstverliebten Egozentriker, der durch die Gegend fährt und sich an seiner eigenen Musik ergötzt«, stöhnt er.
»So ein Quatsch.«
»Ich höre nicht dauernd meine Songs. Nur manchmal, um zu überprüfen, ob man noch was daran verbessern kann«, beteuert er, während ich die gebrannte CD aus dem Player hole.
»Darf ich die haben?«
»Ja … in Ordnung. Gern.«
»Danke.« Ich lasse sie in meiner Handtasche verschwinden. In diesem Moment bremst David scharf und fährt rechts ran. Was ist denn jetzt los? Er stellt den Motor ab und beugt sich zu mir rüber. Als seine Lippen
nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt sind, begreife ich endlich und Panik erfasst mich. Er will mich küssen. Mein Mund wird auf der Stelle staubtrocken, und ich schlucke nervös. Hoffentlich kleben unsere Lippen nicht aneinander. Hoffentlich wird es schön. Hoffentlich habe ich es nicht verlernt. Ich schließe die Augen und spüre Davids Lippen auf meinen. Sie sind ganz weich und schmecken nach Orangensaft und Labello. Sanft und zugleich fordernd drücken sie sich auf meine. Ich öffne ganz leicht meinen Mund, um seine Zunge hereinzulassen. Es ist so gut, so gut, so viel besser, als ich es mir jemals erträumt habe.
Wenn aus Liebe Hass wird
David Mory: Vom
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