Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
den dritten Stock. Wenig später stand er vor Schwekendieks Tür. Auch dort gab es eine Klingel, aber der Knopf fehlte. Und irgendjemand hatte über Klingel und Namensschild mit einem schwarzen Edding ARSCHLOCH geschrieben.
Es geht doch nichts über den sozialen Zusammenhalt einer Hausgemeinschaft, dachte Berringer und klopfte.
„Herr Schwekendiek?“, versuchte er gegen die laute Musik anzukommen.
Privat schien Schwekendiek keineswegs Michael-Jackson-Songs zu bevorzugen, sondern eher auf psychedelische Klänge zu stehen. Berringer versuchte es noch einmal. Vergeblich.
Ein verbrannter Geruch stieg ihm in die Nase. Berringers innere Alarmglocke schlug an. Verdammt, da stimmte etwas nicht!
Sofort war er wieder ganz der Polizist von damals, bevor man seine Familie ausgelöscht hatte. Da war Gefahr in Verzug!
Er rammte die Schulter gegen die Tür. Sie sprang auf. Zwei große Schritte, und er hatte den kleinen Flur durchquert und stand im Hauptraum des Apartments, dem Wohnzimmer. Dort dröhnte die Musik aus leistungsstarken Lautsprechern.
Arno Schwekendiek lag ausgestreckt auf der Couch. Berringer sah ein Fixerbesteck auf dem Tisch, eine glimmende Zigarette war zu Boden gefallen, und ein Stück des Teppichbodens drum herum schmorte. Weißer, in der Nase beißender Rauch stieg auf.
Berringer eilte zurück in den Flur. Dort hing ein Parka am Haken. Der Detektiv riss ihn herunter, ging ins Bad, legte ihn ins Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Das dauerte nur ein paar Sekunden. Wenige Augenblicke später kehrte er mit dem tropfenden Parka ins Wohnzimmer zurück und erstickte damit den aufglimmenden Brand.
Dann trat Berringer an den völlig entspannt daliegenden Arno Schwekendiek.
„Herr Schwekendiek?“, brüllte Berringer ihm ins Ohr und übertönte damit sogar das Dröhnen und Wummern der Stereoanlage. „Aufwachen!“ Er tastete nach dem Puls. Aber da war nichts mehr, was man hätte erfühlen können.
Die Ü-30-Party in der Kaiser-Friedrich-Halle musste wohl notgedrungen ohne Michael Jackson auskommen.
Das Schlimmste aber war, dass Berringer keine Ahnung hatte, wie er diese Nachricht seinem Klienten beibringen sollte.
An diesem Abend wirst du es zu Ende bringen. An diesem Abend wirst du endlich über deinen Schatten springen.
Du weißt, was geschehen wird.
Du hast dich bisher im Verborgenen halten können. Du hast dich tarnen können hinter dem Leichtsinn anderer.
Aber wenn der Bolzen den Kopf durchschlägt, gibt es kein Zurück mehr. Dann wird man es Mord nennen, und die ganze Stadt wird dein Feind sein und dich jagen.
Aber du kennst jetzt keine Furcht mehr.
Es gibt auch kein Zögern mehr.
Kein Zittern des Fingers, der die Waffe auslösen und das Geschoss sicher ins Ziel schicken wird.
Über all die Unsicherheit, all die Fragen in deinem Kopf, all die Zweifel bist du längst hinaus.
Lange hat es gedauert, bis es soweit ist.
Aber nicht zu lange.
Du hättest eigentlich lieber dein Motorrad genommen als den Wagen. Aber in diesem Fall geht es nicht anders. Es wäre zu auffällig. Deine Waffe wäre nicht gut aufgehoben.
Jetzt liegt sie auf dem Beifahrersitz. Du hast eine Zeitung darüber gebreitet, damit sich nicht gleich jemand die Augen aus dem Kopf stiert, der vielleicht an der Ampel neben dir hält und etwas sieht, was er besser nicht sehen sollte.
Du sitzt am Steuer deines Wagens, lenkst ihn wie automatisch. Du hast fast das Gefühl, du wärst nur noch ein Zuschauer. Ein Beobachter, kein Akteur. Es ist, als wäre dir gelungen, was die spirituellen Meister immer nur von sich behaupten, dass sie nämlich den Körper verlassen können.
Du siehst die Lichter. Du kennst den Weg, und du kennst die Gewohnheiten der Beute, die du erlegen willst.
Du siehst das Schild, das auf die Kaiser-Friedrich-Halle hinweist, und biegst ab.
Jetzt kannst du nur noch eines tun: auf den richtigen Moment warten, wenn im Fadenkreuz deiner Armbrust das Gesicht auftaucht, das du zerstören willst, so wie der üble Geist hinter dieser Stirn einst dich zerstört hat, ohne es nur zu ahnen.
Nicht alle können so einfach vergessen; auch wenn du lange Zeit gebetet hast, etwas großzügiger mit dieser Fähigkeit bedacht zu werden.
Nicht allen ist es gegeben, mit einem Schulterzucken die Vergangenheit abzuhaken und die Albträume zu verdrängen, wenn morgens die Sonne aufgeht.
Du jedenfalls kannst all das nicht.
Du legst dich auf die Lauer wie ein Jäger.
Du bist vollkommen ruhig. So ruhig wie selten zuvor.
Eine
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