Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Doppelleben, setzte Jo in Gedanken hinzu.
Sie zuckte nachdenklich die Schultern. "Ist doch merkwürdig nicht? In dem Moment, in dem jemand verschwindet, stellt man fest, daß man so gut wie nichts über ihn weiß. Nichts Wesentliches jedenfalls. Ich könnte ihnen jetzt sagen, daß er ein hervorragendes Gedächtnis hat und alle Telefonnummern auswendig kennt, die für ihn wichtig sind."
"Er ist wohl ziemlich korrekt."
"Das ist er. Und sehr beherrscht. Das einzige Mal, daß ich ihn unbeherrscht erlebt habe, das war, als uns auf dem Highway so ein Verrückter bei einem Überholmanöver fast in die Leitplanken gedrängt hatte." Sie lächelte. "Aber er hatte sich immerhin noch so gut in der Gewalt, daß er sich die Autonummer merken und den Kerl nachher anzeigen konnte."
"Sind Sie doch öfter mit ihm unterwegs gewesen?"
"Das war dienstlich, Mister Walker. Wir waren gemeinsam bei einem Verlag, um über die Gestaltung eines Bildbandes zu sprechen." Sie sah Jo auf einmal fragend ab. "Glauben Sie, daß Leslie noch lebt?"
*
"Wir haben unsere Karteien auf den Kopf gestellt und überall angefragt, wo es nur halbwegs erfolgversprechend sein könnte", dröhnte Tom Rowland, irgendwann gegen Mittag des nächsten Tages, als Jo Walker den Captain in seinem Büro aufgesucht hatte. Walker hatte auf einem Stuhl Platz genommen, sich eine Zigarette zwischen die Lippen gesteckt und hörte gelassen zu.
Viel war es nicht, was Rowland vorzuweisen hatte. Das, was der Captain seinem Freund präsentierte, konnte diesem nicht gefallen.
"Mit anderen Worten", schloß Jo schließlich zwischen zwei Zigarettenzügen, "über den Blonden mit der Eagle-Jacke wissen wir nichts."
"So ist es", nickte Rowland. "Und sein Mörder hat dafür gesorgt, daß es uns so schwer wie möglich gemacht wird."
"Was ist mit der Jacke?" fragte Jo. "Auch wenn die Etiketten herausgeschnitten sind, müßte man doch herausfinden können, wo sie gekauft wurde..."
Rowland nickte. "Du hast recht. Diese Jacke ist nicht gerade alltäglich - und vor allem wohl auch ziemlich teuer gewesen. Aber im Augenblick setzen wir unsere Hoffnungen auf die Zähne dieses Mannes. Er muß in letzter Zeit beim Zahnarzt gewesen sein. Und zwar in der letzten Woche, allenfalls in der vorletzten."
"Woher willst du das so genau wissen?"
"Die Leiche hatte ein Zinkkäppchen im Mund. Das ist eine Art provisorische Krone, die aufgesetzt wird, um abzuwarten, ob sich der Nerv entzündet und gezogen werden muß. Stellt sich das nämlich erst heraus, wenn das Gold bereits im Mund ist, wird es teuer. Diese Käppchen halten im Höchstfall ein paar Monate und sind oft schon nach kurzer Zeit ziemlich zerbissen. Aber dasjenige, das man im Mund der Leiche gefunden hat, war noch in gutem Zustand."
Immerhin, dachte Jo. Vielleicht führte das ja weiter.
Rowland beugte sich etwas über den Tisch.
"Da ist noch eine andere Sache", murmelte Rowland. "Dieser Craven..."
"Hatte ich dir das noch nicht gesagt? Leslie Craven ist schon seit Jahren nicht mehr am Leben. Der Mann auf dem Foto hat seine Identität angenommen."
Rowland blickte nachdenklich drein und nickte dann entschieden. "Das ergibt ein Bild", meinte er dann. "Ich habe das Foto nämlich scannen und vervielfältigen lassen." Während er das sagte holte er aus einer Schublade heraus und gab es Jo zurück. "Eine Rundum-Abfrage sozusagen. Krankenhäuser, Leichenhalle, FBI..."
"Und?"
"Irgendjemand behindert die Ermittlungen, Jo. Plötzlich macht es Schwierigkeiten, an bestimmte Daten heranzukommen. Wir bekommen keine vernünftigen Auskünfte über diesen Mann. Ich weiß noch nicht, woher der Wind da weht."
Jo lehnte sich zurück. "Willst du damit sagen, daß jemand im FBI die Hand über diesen Craven hält?"
"Ja, so ist es."
"Was wirst du unternehmen, Tom?"
Rowland zuckte die Achseln. "Jedenfalls werde ich nicht versuchen, mir an einer Mauer den Schädel einzurennen! Wenn sich mein Verdacht bestätigt, sind meine Möglichkeiten am Ende."
"Klingt nicht gut!"
"Was soll ich machen, Jo?"
*
"Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten keine Wunderdinge erwarten!" sagte Jo Walker an Mark Franklin gewandt. Der Agent saß hinter seinem Schreibtisch und machte ein ziemlich mißmutiges Gesicht. Er hob beschwichtigend die Hände.
"So war das auch nicht gemeint, Mister Walker!"
"Ich wollte Ihnen einfach nur darstellen, was ich inzwischen weiß. Und es liegt nun an Ihnen, ob ich weitermachen soll."
"Sie meinen, Craven ist aus eigenem Antrieb
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