Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
dem Weg nach Jersey City, auf der anderen Seite des Hudson. Jo geriet in die aufkommende Rush Hour, was seine Fahrt etwas verlangsamte.
Joricia Nolans Adresse gehörte zu einem bescheidenen, aber gepflegten Haus in den Randbezirken. Das Grundstück war im Verhältnis zum Haus ziemlich klein. Wahrscheinlich hatte man aus einer Parzelle zwei gemacht.
Auf dem Hof stand ein Wagen. Jo konnte also hoffen, daß Joricia zu Hause war. Der Privatdetektiv ging zur Tür und klingelte. Es dauerte nicht lange und eine hübsche Dunkelhaarige mit feingeschnittenen Gesichtszügen öffnete ihm. Sie sah chic aus in ihrem enggeschnittenen Kleid. In der Hand hielt sie eine Kaffeetasse. Sie machte den Eindruck, als wäre sie auf dem Sprung ins Büro.
Was Jo am meisten an ihr wunderte, war das Alter. Sie konnte kaum über dreißig sein. Wenn sie wirklich Cravens Schwester war, bestand zwischen den beiden ein ziemlich großer Altersunterschied. Mindestens zehn Jahre.
"Guten Morgen", sagte Jo. "Sind Sie Joricia Nolan?"
"Allerdings. Was wollen Sie?"
"Es geht um Ihren Bruder", sagte Jo. Ihm entging die Veränderung nicht, die sich plötzlich in ihrem Gesicht abspielte. Trotz des dezenten Make-ups verlor sie einen Teil ihrer frischen Gesichtsfarbe.
"Wer sind Sie?"
"Mein Name ist Jo Walker." Er zeigte ihr seine New Yorker Lizenz als Privatdetektiv, die er mit einer schnellen Bewegung aus der Jackentasche gezaubert hatte. Sie nahm die Lizenz, warf einen kritischen Blick darauf und gab sie schließlich Kommissar X zurück.
"Ich habe keinen Bruder."
"Sie brauchen mir nichts vorzumachen. Ihr Bruder heißt Keith Nolan." Sie versuchte es zu verbergen, aber es entging Jo nicht, daß dieser Name etwas in ihr auszulösen schien - wenn auch nur für eine gute Sekunde. Solange braucht sie, um sich wieder vollends im Griff zu haben. Nach kurzer Pause sprach Jo weiter. "Ihr Bruder war einmal FBI- Agent und es könnte sein, daß einige Leute noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen haben, die er in den Knast gebracht hat."
Joricia schluckte. "Was wollen Sie von..." Sie sagte keinen Namen. "...von meinem Bruder?" beendete sie dann die Frage.
"Ihm vielleicht helfen", gab Jo an. "Er könnte in Schwierigkeiten sein."
"Ach, ja? Wer schickt Sie denn?"
"Der Mann, für den er zuletzt gearbeitet hat. Der macht sich nämlich Sorgen um ihn."
Sie sagte nichts und das nahm Jo als positives Zeichen. Joricias grüngraue Augen ruhten auf dem Privatdetektiv und es schien so, als würde sie versuchen, diesen Fremden einzuschätzen. In ihren Zügen stand noch immer deutlich Mißtrauen und Jo hatte Verständnis dafür. Einige Augenblicke lang geschah gar nichts.
"Kommen Sie herein!" sagte sie dann schließlich und nippte danach an ihrem Kaffee. "Aber ich sage Ihnen gleich, daß ich nicht allzuviel Zeit habe. Ich arbeite in einer Bank in Jersey City. In einer Viertelstunde muß ich los, sonst komme ich zu spät."
Joricia führte Jo in eine Wohnküche, die wie geleckt aussah. Er fragte sich insgeheim, ob hier überhaupt schon einmal gekocht worden war. Auf dem Tisch stand ein leerer Joghurt-Becher. Joricia achtete also auf die schlanke Linie.
"Was ist mit Keith?" fragte sie.
"Er ist verschwunden. Und bevor er verschwand, hat jemand beobachtet, wie er von zwei Kerlen bedroht wurde."
"Wann war das?"
"Letzten Mittwoch. Es scheint, als hätte Craven - oder Keith Nolan, ganz wie man will - seit längerem sein Untertauchen vorbereitet."
"Das glaube ich nicht", sagte sie.
"Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen, Joricia?"
"In der Woche davor. Wir haben regelmäßig Kontakt gehalten, seit er hier in der Nähe war. Keith fühlte sich recht sicher, wie er sagte." Sie atmete tief durch. "Er wollte sich am Wochenende melden. Ich habe mir nichts dabei gedacht, daß er sich nicht gemeldet hat, aber nun..."
"Was ist nun?" fragte Jo.
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", sagte sie. "Ich weiß noch nicht einmal, ob ich Ihnen trauen kann oder ob Sie nicht auch einer von denen sind, die ihn zur Strecke bringen wollen! Wie haben Sie überhaupt meine Adresse herausgefunden? Wie haben Sie überhaupt herausgefunden, daß ich existiere?" Sie war ziemlich erregt, obwohl sie es zu unterdrücken versuchte. Sie stellte die Tasse auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
Jo blieb gelassen. "Ich hatte gedacht, Sie wollten Ihrem Bruder vielleicht helfen."
"Natürlich will ich das!"
"Wer ist hinter ihm her?"
"Was weiß ich! Es werden viele sein, die Grund
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