Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Eine Gestalt hob sich als Schattenriß undeutlich gegen das Licht ab und blieb ein paar Sekunden lang im Türrahmen stehen. Eine Hand ging zum Lichtschalter und dann schien alles in ein Meer aus schmerzender Helligkeit getaucht zu sein. Der Mann auf dem Bett sah sekundenlang so gut wie nichts und versuchte die Augen zusammenzukneifen. Auch das schmerzte furchtbar. Unterdessen hörte er Schritte, die sich dem Bett, in dem er lag näherten und kurz davor stehen blieben. Eine Hand griff roh nach seinem Kinn und riß es zur Seite. Er stöhnte auf, während eine Welle des Schmerzes vom Kiefer aus den Kopf durchflutete.
"Wie ich sehe, hat George dich ziemlich hart rangenommen, Craven", sagte eine sonore Stimme. "Oder soll ich dich lieber bei deinem wirklichen Namen nennen?"
Craven fröstelte beim Klang dieser Stimme.
Er versuchte etwas zu sagen, aber es kam nichts über seine Lippen als ein ächzender Laut.
"Was wollt ihr noch?" fragte er schließlich. Er sprach undeutlich wegen seinen Zähnen. Es war kaum zu verstehen. "Warum macht ihr nicht einfach ein Ende? Das werdet ihr doch schließlich sowieso tun, oder?"
"Schon möglich. Aber das habe ich nicht zu entscheiden."
"Ja, ich weiß."
Langsam gewöhnte Craven sich an die ungewohnte Helligkeit und blickte in ein glattes, fast ausdrucksloses Gesicht, in dessen Mitte sich zwei kalte graue Augen befanden. In diesen Augen las er nicht mehr und nicht weniger als seinen Tod.
Er hatte keine Chance mehr.
*
Es war ziemlich früh am Morgen, als Jo Walker den Anruf von Lew Valdez bekam. Der Privatdetektiv lag noch im Bett und war kaum richtig wach, als er Valdez' Stimme hörte.
"Walker, hören Sie mich?"
"Ja, aber ich verstehe Sie schlecht."
"Ich rufe von einer Telefonzelle aus an und hier in der Nähe wird gerade die Straße aufgerissen. Haben Sie Papier und Bleistift dabei?"
Jo langte zum Nachttisch.
"Ja."
"Der Mann, der sich Craven nennt, ist bei uns als Keith Nolan registriert. Nolan hat vor dreizehn Jahren eine falsche Identität bekommen, weil er zuvor als Under-Cover-Agent gegen die Mafia tätig war. Kurz danach schied er aus dem Dienst aus und lebte unter dem Namen Jason Lorrimar in Cleveland."
"Seit wann nennt er sich Craven?"
"Keine Ahnung. Diese Identität hat er nicht vom FBI. Jason Lorrimar ist vor ungefähr drei Jahren spurlos verschwunden."
Und seit drei Jahren arbeitete Leslie Craven in der Franklin-Agentur. Das paßte zusammen.
"Haben Sie eine Ahnung, warum?"
"Er hatte in Mafia-Kreisen ermittelt. Sie können sich ja denken, wie das ist, wenn einer von denen verhaftet wird, weil man ihm eine Laus in den Pelz gesetzt hat. Er wird auf Rache sinnen, ein Kopfgeld aussetzen oder etwas in der Art. Vielleicht hat Lorrimar sich einfach nicht mehr sicher gefühlt und sich deshalb in Craven verwandelt."
"Haben Sie eine Ahnung, wer hinter ihm her gewesen sein könnte, Valdez?"
"Nein."
"Worum ging es denn - damals vor dreizehn Jahren?"
"An diese Daten bin ich nicht herangekommen. Verschlußsache. Ich bin nicht zugangsberechtigt. Bei Personaldaten habe ich weniger Schwierigkeiten."
"Hat Craven vielleicht irgendwelche Verwandte? Angehörige, mit denen er in den letzten Jahren unter Umständen noch Kontakt gehabt haben könnte?" fragte Jo.
"Seine Eltern leben nicht mehr. Aber er hat eine Schwester in Jersey City."
"Name?"
"Joricia Nolan."
"Haben Sie eine Ahnung, warum das FBI etwas dagegen hat, daß das Morddezernat in Manhattan nach ihm fahndet, um ihn in einer Mordsache zu befragen zu können?"
Auf der anderen Seite der Leitung war es einen Moment lang still. Dann sagte Lew Valdez: "Das ist mir neu. Aber da sind ohnehin einige Dinge merkwürdig an der Sache."
Jo horchte auf. "Und was zum Beispiel?"
"Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt, Walker. Alles andere ist eine interne Geschichte."
"Das sind gewöhnlich die Spannendsten."
"Tut mir leid, Walker. Aber das ginge über einen Gefallen hinaus, wie ich ihn Ihnen schulde. Ich bin ohnehin schon weit über die Grenzen gegangen."
Damit war das Gespräch beendet. Jo stand auf und zog sich an. Er verzichtete sogar auf seine morgendliche Jogging-Runde. Als er fertig war, brühte er sich schnell eine Tasse Kaffee auf und ging dann hinüber in die Büroräume, wo er eine Nachricht für April Bondy hinterließ. Bis sie hier auftauchen würde, dauerte es noch ein bißchen und er hatte keine Lust, darauf zu warten.
Wenig später saß er hinter dem Steuer seines champagnerfarbenen Mercedes und war auf
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