Private Dancer
aussah wie ein Mädchen von siebzehn… In den Tagen, in denen ich versuchte, mit Rosemarie zusammen zu arbeiten, erschlich mich immer wieder das Gefühl, ich könnte es hier mit einem echten Vampir zu tun haben. Heute bin ich davon überzeugt, dass es so war! Eine Nachkommin der Bartholy (die es nach meinen Recherchen wohl wirklich gab), Mutter aus dem Bezirk Transsylvanien (von dem ich auch geglaubt hatte, es sei ein fiktiver Ort. Nein, das ist ein Teil von Rumänien), die gezogenen Vampirzähne und ihre schaurigen Geschichten. Manchmal erwähnte sie auch nur etwas nebenbei, was sie aber absolut als Vampir outete! Zum Beispiel folgendes Zitat:
„Euer Leben dauert sowieso viel zu kurz! Ihr solltet mal dreitausend Jahre leben!”
Oder:
„Isch hatte noch nie, noch nischt ein einziges mal in meinen ganzen Leben Lungenkrebs!” (meinen Leben, nicht meineM …also quasi mehrere).
Oder auch folgende Antwort auf meine Frage ob sie an Vampire glaube:
„Isch glaube nur an misch selbst!”
Einmal hatte sie ein Gurkenglas in der Hand und wollte das Verfallsdatum prüfen, konnte es aber nicht erkennen und sagte:
“Peter, sag mir was hier steht! Isch habe heute morgen die falschen Augen angezogen und kann das nischt lesen!”
Als wir uns über verschiedene deutsche Feiertage unterhielten, regte sie sich über Mariä Himmelfahrt auf:
“Das ist so ein Unsinn. Maria ist nie in den Himmel aufgestiegen! Sie wurde ganz normal beerdigt. Wie isch sie kenne verrottet sie noch heute in ihrem Grab!”
So viel fürs erste zu Rosemarie, die es einfach nur verdient hat erwähnt zu werden!
Das Arbeiten in Budapest gestaltete sich nicht ganz so problemlos wie ich es mir vorgestellt hatte. Schon am ersten Abend wurde mir klar, dass die Köche im Restaurant von meiner Art zu kochen nicht viel hielten. So erwischte ich eine der Küchenhilfen dabei, wie sie, nachdem sie meine Paprikacrèmesuppe probiert hatte, einen Klumpen Schweineschmalz in den Topf warf, mit der Begründung, dass da ja gar kein Fett auf der Suppe schwimmen würde…
Was mir auch auffiel war, dass alle in der Küche mit Handschuhen arbeiteten und unendlich stolz darauf waren so fortgeschritten zu sein. Hygiene gehe über alles! Es war schwer, ihnen begreiflich zu machen, dass es nichts bringt, sich abends um 18:00 Uhr Handschuhe anzuziehen und die dann bei allem, was man bis Feierabend macht (also etwa sechs Stunden lang) anzubehalten. Der Handschuh von Rosemarie hatte zum Beispiel in nur zwei Stunden Fisch ausgenommen, Salat geputzt, Zigaretten angezündet, rohes Geflügel geschnitten, Pfannen gespült, Leber gewürzt, Steaks gebraten, den Boden gewischt, das Kühlhaus aufgeräumt und irgendwann hatte er auch die Klinke zur Toilette der Angestellten berührt…
Es war für mich absolut schockierend mit anzusehen, welche falsche Sicherheit diese Handschuhe dem Küchenpersonal gaben. “Peter! Wenn ich Handschuhe anhabe, gehen keine Bakterien auf die Lebensmittel!” Noch heute würde ich am liebsten schreien! Ich erklärte, dass die Handschuhe in diesem Fall ein Schutz für die Hände waren, aber auf keinen Fall für das Produkt, ganz im Gegenteil… nach zwanzig Minuten Diskussion mit Rosemarie glaubte sie mir und befahl ihren Untergebenen die Handschuhe auszuziehen und sich ab jetzt nach jedem Arbeitsvorgang die Hände zu waschen. Ich hatte Erfolg! Nachdem ich nur drei Stunden gearbeitet hatte, setzte ich mich, erschöpft wie nie zuvor in meinem Leben und völlig aus der Bahn geworfen, an den Tisch, an dem Ferdinand saß.
Das Restaurant war verwinkelt und bestand aus mehreren, kleinen Räumen. Es war in dunkelrot gehalten und erinnerte keineswegs an ein schickes Restaurant. Vor der Tür stand ein ziemlich unseriös wirkender Mann, der die Leute aufforderte, rein zu kommen. Er hatte einen Goldzahn, lange Haare und einen glänzenden, verknitterten Anzug. Die Wände im Restaurant waren voller kleiner Bilderrahmen mit irgendwelchen Hollywood-Stars und es gab einen Alleinunterhalter, der in deutsch, russisch, ungarisch und englisch Schlager sang und dabei auf einem Keyboard spielte. Hier kannte jeder jeden, auch mich! Jedenfalls taten alle so, als ob das so wäre. Ich hatte innerhalb von zehn Minuten fünf Schnäpse angeboten bekommen und trank natürlich mit, um nicht unhöflich zu sein. Die Gäste im Restaurant waren reich! Das wurde mir klar als ich einen Blick auf die Karte warf und sah, dass ein ganz gewöhnliches
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