Private Dancer
Italien und wieder zurück. Es waren sehr ereignisreiche Tage und als ich wieder zuhause war, fühlte ich mich, als hätte ich eine Weltreise unternommen und wäre wochenlang fort gewesen, weil es so viel zu erleben gab …aber zurück zu meinem Auftrag!
Es war Spätwinter und in Österreich lag, anders als bei mir zuhause, immer noch viel Schnee. Trotzdem war ich verblüfft, dass es ein Österreich mit so wenigen Bergen gab. Ich war als Kind oft in Österreich gewesen und hatte nicht gewusst, dass es hier auch flach sein konnte. Ich fuhr also am nächsten Morgen von Mondsee aus (ich glaube so hieß der Ort an dem ich übernachtet hatte) weiter Richtung Wien, wo ich anhielt, um wenigstens ein klein wenig von der Stadt zu sehen. Dann ging es weiter nach Budapest. Hinter der österreichischen Grenze gab es dann überhaupt keine Hügel mehr. Ungarn war ein weites und flaches Land (zumindest dort wo ich war…). Man konnte endlos weite, immer noch schneebedeckte Felder sehen und ich fühlte mich unendlich weit weg von zuhause. Ich hatte mit Ferdinand abgemacht, dass ich vier Wochen in Budapest bleiben, im Gepäck einige Rezepte haben würde und seinen Köchen zeigte wie man sie umsetzte. Ein interessanter Job, auf den ich mich freute. Ein Abenteuer, das nicht jeder eingehen würde, für das ich allerdings mutig genug oder naiv genug war. Ich konnte kein einziges Wort ungarisch und war vorher noch nie länger als vierzehn Tage von zuhause weg gewesen und wenn, dann auch nur im Urlaub, nicht zum Arbeiten. Ich hatte beschlossen, diesen Gedanken zu verdrängen. Es würde schon schief gehen. Ich hatte ein Appartement gemietet, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte, nicht einmal auf Fotos (im Nachhinein ziemlich blöd…). Als ich dann endlich in Budapest angekommen war, um es zu besichtigen, oder eigentlich, um es direkt zu beziehen, erlebte ich den ersten Kulturschock. Ich erinnerte mich an eine Dokumentation im Fernsehen über das Leben im deutschen Jugendknast und hatte die dort gezeigten Zellen um einiges gemütlicher in Erinnerung. Bevor man die Wohnung aufsperren konnte, musste man als erstes das Stahlgitter vor der Wohnungstür aufschließen(…). Das Bett ,auf dem ich hatte schlafen sollen, hatte eine fleckige, braune Matratze. Es gab keine Tapete an den Wänden. Eine der ersten elektrischen Lampen der Welt stand auf einem „Nachttisch” (drei vernagelte Bretter) und leuchtete müde vor sich hin. Das einzige Fenster in dem sogenannten Appartement hatte einen herrlichen Ausblick auf eine Mauer und in der Mitte dessen, was die Küche sein sollte, stand eine Wasserpfütze auf dem Boden, entstanden durch die verrosteten, alten Abwasserrohre, die an der Decke entlang führten. Die Armaturen im Bad waren ebenfalls verrostet und wenn ich mich heute versuche, an die Wohnung zu erinnern, habe ich immer als erstes die Farbe Gelb in Erinnerung. Also kein Sonnenblumen- oder Zitronengelb, sondern ein „Ich-war-vor-hundert-Jahren-mal-weiß-GELB”. Ich stellte meine Tasche etwas verzweifelt ab und setzte mich auf einen Hocker. Hier sollte ich also die nächsten vier Wochen wohnen… Ich erinnerte mich an die Zweifel, die meine Freunde mir zuhause mitteilten, und, dass sie fanden, dass es total mutig von mir war, nach Osteuropa zu fahren, dort zu wohnen und zu arbeiten. Ich selbst hatte der Sache eher mit Spannung und Vorfreude entgegen gesehen …jetzt war ich leicht entmutigt.
Nachdem ich etwa zehn Minuten in der Wohnung gesessen hatte und mir Gedanken über den Unterschied zwischen Integration und Selbstzerstörung gemacht hatte, schnappte ich mir meine Tasche und checkte ins Marriott Hotel Budapest ein. Mir war bewusst, dass mein Geld ziemlich schnell flöten gehen würde, wenn ich vier Wochen hier wohnen bleiben wollte. Aber das war für's Erste egal. Hauptsache war, dass ich zumindest für eine Nacht ruhig, schön und hygienisch schlafen konnte. Am nächsten Tag würde sich vielleicht schon etwas anderes ergeben. Möglicherweise war die Wohnung ein schlechtes und kein Paradebeispiel für Budapests Appartements. Ich war zuversichtlich, dass ich eine schönere Wohnung finden würde. Trotzdem hatte ich ein klein wenig bereut, dass ich nicht mit Herrn Gebel über meinen Lohn gesprochen hatte, sondern ihm vertraut hatte, als er sagte: “Machen Sie sich bitte keine Sorgen wegen der Bezahlung…”.
Nach dem Schock wegen der Wohnung war die Begrüßung im Restaurant durch Herrn Gebel wie Balsam. Er freute
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