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Private Dancer

Private Dancer

Titel: Private Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Porsani
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täglich überfallen worden wären. Das blieb aber zum Glück aus. Die Sache mit der Bezahlung kümmerte mich immer weniger. Ich erhielt so viel Trinkgeld (nicht nur von David), dass ich darauf pfeifen konnte was Herr Gebel mir zahlen würde. Nach einigen Tagen nahm Rosemarie mich zur Seite: „Peter, jetzt tu isch mit dir schimpfen!”
    „Warum?”, ich war völlig verblüfft.
    „Rica hat gesagt, dass du das Trinkgeld behältst, das du bekommst!”
    „Ja klar”, ich verstand nicht, was falsch daran war.
    „Das ist verboten! Wir dürfen das nischt! Wir müssen alles in die Kasse legen!”
    Ich überlegte. „Sammelt ihr das Trinkgeld und teilt es am Ende des Monats auf?”
    Jetzt sah Rosemarie mich verblüfft an. „Wir kriegen kein Trinkgeld!” Es stimmte.Ich war der einzige aus der Küche, der mit den Gästen Kontakt hatte. Die anderen arbeiteten ja nur, machten ihre Zigarettenpause im Hinterhof und nach der Arbeit verschwanden sie schleunigst. Wie konnte ich nur so egoistisch sein! „Tut mir leid Rosemarie, ich werde von jetzt an natürlich mit euch teilen!”
    „Um Himmels Willen, nein!” Sie sah mich erschrocken an: „Du darfst niemandem von uns das Trinkgeld geben, sonst werden wir alle ohne Arbeit sein!” Ich dachte angestrengt nach. Ich hatte bis dahin geglaubt, dass die Leute hier hauptsächlich von ihrem Trinkgeld lebten, aber Rosemarie verdeutlichte mir meinen falschen Blick auf die Lage. Ich nahm sie mit aus der Küche in den Hinterhof und fragte sie gezielt aus. Der Lohn, den das ungarische Küchenpersonal bekam, lag netto bei umgerechnet 1,90 Euro pro Stunde. Die Servicekräfte bekamen noch etwas weniger. Das Trinkgeld durfte auf keinen Fall behalten werden. Alles musste in die Kasse, alles ging an Ferdinand Gebel. Ich konnte es nicht fassen. Ich war wütend, schockiert, enttäuscht, fassungslos. Der Mann verdiente Unmengen von Geld an einem Abend und zahlte seinen einheimischen Arbeitskräften so gut wie überhaupt nichts! Rosemarie verstand meine Reaktion nicht genau, für sie war das normal. Nach einigen Minuten in denen ich versuchte ihr zu erklären, dass das meiner Meinung nach die größte Ausbeute der Nordhalbkugel sein musste, ging sie lachend wieder hinein und arbeitete weiter. Ich setzte mich auf eine der Stufen, auf denen wir zuvor standen, und dachte angestrengt nach. Da ich mich nicht rührte, ging das Licht des Bewegungsmelders, das den Hinterhof beleuchtete, aus. Ich blieb trotzdem ruhig sitzen und ärgerte mich über diese Ungerechtigkeit. Eine Ungerechtigkeit, an der ich unwissend teilgenommen hatte. Stop! Ohne mich! Als ich gerade aufstehen und wieder rein gehen wollte, um Ferdinand zu sagen, dass er in meinen Augen ein Ausbeuter sei, hörte ich plötzlich Schritte unter mir. Jemand hatte sich unter der Treppe versteckt und  tippelte nun langsam auf die Mülleimer zu. Es war ein dürrer Mann, dessen hohes Alter ich durch die Dunkelheit nur an seinem gebeugten Rücken erkannte. Im Schlepptau hatte er ein Kind, das ich auf zehn Jahre schätzte. Ich glaubte lockige, lange Haare zu erkennen, es war ein kleines Mädchen.  Sie sahen mich nicht und hatten sich anscheinend versteckt, als Rosemarie und ich aus der Hintertür gekommen waren. Mit Entsetzen und Tränen in den Augen sah ich zu, wie der alte Mann in den Mülltonnen nach Essensresten fischte und sie dem Mädchen zuwarf, das sie dann in einer Tüte verstaute. Ich stand auf, der Bewegungsmelder schaltete das Licht an und die beiden waren starr vor Schreck. Meine Handbewegung, die ihnen klar machte, dass sie nicht weglaufen sollten (und wohl auch meine Tränen, die ich nicht verstecken konnte) ließen sie warten. Ich stürmte in die Küche und griff nach allem, was ich finden konnte, aber das war zu wenig. Ich durchstöberte die Kühlhäuser und das Magazin und packte alles in eine Mülltüte, zwei Mülltüten, drei! Dann ging ich durch die Küche wieder nach draußen, unbeachtet vom anderen Personal, die sich wohl dachten, ich hätte nur wieder irgendeine weitere Verbesserungsidee und die mich eh für verrückt hielten. Der Mann und die Kleine kramten immer noch in den Mülltonnen, als ich wieder am Hinterhof erschien. Ich lief die Treppe runter und drückte dem Mann eine der Tüten in die Hand. Er sah mich verblüfft an und schaute hinein. Er nahm einen Apfel, heraus der ganz oben lag, warf ihn wieder hinein und erkannte nun nach und nach, dass die Tüten voller Lebensmittel waren. Das Mädchen sah uns ein wenig besorgt

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