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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… als er in die Tiefe kam, rutschte er öfters aus, zerschnitt Arterien, verletzte wichtige Nerven und Sehnenstränge und dachte immer wieder dabei: Wenn er noch lebte, jetzt wäre er tot! Gestorben unter dem Messer! Ich zerteile ihn mit der gleichen mörderischen Kunst wie früher Jack the Ripper seine Opfer im Dirnenviertel von Whitechapel.
    Brigitte Linden traf Diakon Weigel im großen Jagdsaal. Er schichtete mit Prof. Heitzner Kaminholz auf.
    »Haben Sie meinen Mann gesehen?« fragte sie unruhig. »Ich suche ihn seit einer halben Stunde. Auch im Stall ist er nicht – und dahin wollte er, wie er mir sagte.«
    »Wir dürfen ihn jetzt nicht stören.« Diakon Weigel nahm Brigitte am Arm und führte sie zur Seite. »Er stellt gerade die Todesursache bei einem kleinen, schwarz-weißen Terrier fest.«
    »O Gott! Wenn ihm das gelingt …«, stammelte Brigitte.
    Diakon Weigel nickte mehrmals. »Es wird gelingen. Sein Ehrgeiz ist ungeheuerlich.«
    »Der Tod trat ein durch eine Quetschung des Cerebellums. Der Hund hat also einen Schlag gegen den Kopf bekommen, der eine sofortige Lähmung der quergestreiften Muskulatur zur Folge hatte. Der Tod wurde beschleunigt durch eine Hirnblutung.« Dr. Linden setzte sich erschöpft Diakon Weigel und Brigitte gegenüber, die im Wintergarten des Schlosses auf ihn gewartet hatten. »Kann ich jetzt eine Tasse Kaffee haben?«
    »Aber selbstverständlich, Doktor.« Weigel sprang auf. »Ich bestelle sie sofort.«
    »Stark, Diakon! Mokka orientalisch.«
    »Der Löffel wird drin stehen …«
    Weigel verließ den Wintergarten. Dr. Linden wartete ab, bis er außer Hörweite war, und beugte sich dann vor.
    »Ich habe den Hund nicht obduziert, Gitte«, sagte er tiefatmend. »Ich habe ihn zerfetzt!«
    »In einigen Wochen wirst du wieder Nerven herauspräparieren, glaub es mir.« Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände und küßte ihn auf die müden Augen. »Wie war es denn?«
    »Schrecklich, Gitte. Ich habe den Ductus choledochus nicht gesehen und durchgeschnitten. Ich habe ihn einfach nicht gefühlt.«
    »In drei Wochen kannst du ihn mit geschlossenen Augen finden.«
    »Woher nehmt ihr nur alle den Mut, auf das Unmögliche zu warten?« fragte er leise.
    »Weil wir dich alle lieben, Konrad.« Sie streichelte über seine schwarzen Haare. »Sagt man nicht, daß das Berge versetzt?«
    »Ich bin aber ein Gebirge, Gitte.«
    Diakon Weigel kam mit dem Kaffee zurück. Er dampfte und war schwarz wie ein Kohlenaufguß.
    In den folgenden Tagen sprach es sich herum, daß Schloß Bornfeld Großabnehmer für tote Tiere geworden war. Die Bauern schüttelten die derben, wettergegerbten Köpfe. Im einzigen Wirtshaus an der Kreuzung der Provinzstraße und der Heidechaussee, in der Kate ›Bienenkrug‹, saß man abends zusammen, rauchte Pfeife oder priemte, trank seinen Klaren und aß den Schinken, schwarz geräuchert und mit Wacholderbeerenrauch gewürzt, in kleinen Würfeln, aufs Messer gespießt, wie es seit Hunderten von Jahren üblich war, und unterhielt sich darüber, daß der Herr Diakon hatte verbreiten lassen: Alle toten Tiere können zum Schloß gebracht werden. Von der Katze bis zum Kalb, vom Ferkel bis zum Schaf. Und für jedes Stück gibt's noch zehn Mark extra.
    Die Bauern, die schon ein Stück Kadaver abgeliefert hatten, wußten zu berichten, daß der Diakon und ein Gast des Schlosses eigenhändig das tote Tier in den Keller schleppten. Zuletzt eine an Rotlauf krepierte Sau. Auf die Frage, was nun mit dem Tier geschehe, hatte der Gast geantwortet: »Daraus machen wir eine ganz besondere Seife! Vor allem Ihr Rotlaufschwein – das wird eine rot-weiß gesprenkelte Seife!«
    Beleidigt zog der Bauer ab. Und die zehn Mark versoff er im ›Bienenkrug‹. Mit Faustschlägen und Flüchen. Der Teufel hole die aufgeblasenen Städter!
    Das änderte sich auch nicht, als der Tierarzt einen Besuch auf Schloß Bornfeld machte und durchblicken ließ, daß das Kreisveterinäramt von den merkwürdigen Kadaveraufkäufen gehört habe und in Kürze nachsehen wollte, was hier los sei. Wegen Seuchenverhinderung. Diakon Weigel führte darauf den Tierarzt in den Keller und nahm ihm vor der Tür das Ehrenwort ab, zu schweigen.
    Leise öffnete er die Tür und ließ den Tierarzt einen Blick in das Gewölbe werfen.
    An einem Seziertisch sah er einen Mann stehen, in Gummischürze, OP-Kittel, mit Leinenkappe und Mundschutz. Er trennte gerade einige Muskelstränge aus einem Kalbsbein und präparierte die Sehnen frei. Weigel

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