Privileg Venusgeist
vor uns. Ich gebe zu, daß ich an Stelle der Frauen nicht ausschließlich an die ›1418‹ und die Verhaltensweise ihrer Besatzung denken würde, sondern auch an andere Dinge. Es kann aber durchaus möglich sein, daß die Frauen so erschöpft sind, daß sie zu keinen anderen Regungen mehr fähig sind.«
Obwohl mein Instinkt immer dringender warnte, wurde ich unsicher. Hannibal, der infolge seiner gleichartigen Schulung auch zu einem psi-emotionellen Ereignisahner geworden war, fühlte sich ebenfalls nicht wohl.
»Abwarten, Großer«, riet er. »Zweifellos sind die Frauen in Not. Ich frage mich jedoch, in welcher Not! Es würde mich interessieren, wie hoch der Sauerstoffdruck in ihren Lebenserhaltungssystemen ist und wieviel Flüssigkeit sie tatsächlich mit sich führen. Ich gehe auf die Paraspur zurück, Ende.«
Als ich meine Konzentrationsphase aufhob, befand sich nicht nur Tronsskij am Rande der Meuterei. Sogar Lobral, der stets beherrscht und ausgeglichen war, warf mir vorwurfsvolle Blicke zu.
Dogendal war zum Nervenbündel geworden, und Allison gab endgültig seine Auswertungsversuche auf.
Er schlug mit der Faust auf den Metallrand des Rechners und kam näher.
»Beenden Sie die Prozedur, Konnat«, forderte er schroff. »Seit wann läßt man drei Frauen in der Wüste umkommen? Ich finde überhaupt keine Worte für Ihr Verhalten. Als sie plötzlich erschienen, war ich ebenfalls geschockt, jetzt aber nicht mehr. Sie sind wirklich in Todesnot.«
Ich lauschte mit halber Aufmerksamkeit auf die immer dringender werdenden Rufe der Frauen.
Allison hatte recht, wenn er behauptete, sie hätten nicht mehr viel Zeit.
Ich entschloß mich zu einer Maßnahme, die jedermann sofort beruhigte. Lobral atmete erleichtert auf, als ich zur gelbleuchtenden Kontaktplatte der Tonaufnahme griff.
Vorher gab ich an die Besatzung durch:
»HC-9 an alle: Ich werde die Frauen anrufen. Meine Befürchtungen scheinen grundlos zu sein. Maschinenleitstand, bitte melden …«
Dr. Ing. Snofer, GWA-Wissenschaftler und Spezialist für marsianische Triebwerke und Ultrastrom-Erzeuger, erschien augenblicklich auf einem Bildschirm.
»Doc, fahren Sie Ihre Stromreaktoren auf Notleistung hoch. Schalten Sie auf Energieschirmversorgung um. Ich möchte, daß die Abwehrfelder notfalls im Bruchteil einer Sekunde aktiviert sind.«
»Verstanden. Ich tue Ihnen den Gefallen – wenn es Sie beruhigt!« entgegnete er ironisch.
Das Donnern der Umformerbänke beruhigte mich tatsächlich. Meine Augen schienen sich an den Bildschirmen festsaugen zu wollen.
Mein Verstand empfahl Maßnahmen der Menschlichkeit; mein Gefahrenspürsinn rumorte unterschwellig. Ich wurde von einer Gefühlswoge in die andere gerissen.
Als ich die Kontaktplatte niederdrückte, eilten die drei Frauen bereits weiter auf das Landefeld hinaus. Sie hatten das Donnern vernommen und panikartig reagiert.
»Sie denken an einen bevorstehenden Start«, informierte mich Kiny.
Ich nickte unwillkürlich. Auch diese Reaktion erschien vernünftig. Aber – hätte ich an Stelle der Hilfesuchenden ebenfalls die Flucht ergriffen? Wäre ich nicht einfach stehengeblieben, um es darauf ankommen zu lassen.
Wenn man dem Erstickungstod bereits ins Auge sieht und glauben muß, daß die Retter keine Retter sind – flieht man dann vor einem atomaren Triebwerksstrom, der alle Leiden sekundenschnell beenden würde?
»Ja, dafür sorgt der übermächtige Selbsterhaltungstrieb«, belehrte mich Kiny. »Sir, die Frauen geben aber trotzdem nicht auf. Sie bleiben wieder stehen.«
Ich beobachtete jede Szene auf den Bildschirmen. Einige Dinge fielen mir auf, aber
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