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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Sutton-Cornish in die Stille hinein. »Nun ja, Sie verstehen ... Das ist für mich wohl doch nicht das Richtige.«
    Der Auktionator seufzte. Vermutlich war keine Hoffnung je geringer gewesen, doch sie war immerhin einen Seufzer wert. Dann hielt er etwas in die Höhe, das nach geschnitztem Elfenbein aussah, aber nicht echt war, starrte es voll trüber Ahnungen an und legte sich wieder ins Zeug.
    »So, meine Herren, hier in meiner Hand sehen Sie nun eines der schönsten Exemplare –«
    Mr. Sutton-Cornish lächelte matt und glitt sacht an der Menschentraube vorüber, bis er nahe an die Bronzetür herankam.
    Er stand davor, auf seinen Stock gestützt, einen mit Rhinozeroshaut überzogenen Stahlstab von stumpfem Mahagoniton – ein Stock, auf den sich auch ein gewichtiger Mann hätte stützen können. Nach einer Weile streckte er beiläufig die Hand aus und machte sich an dem großen Schlüssel zu schaffen. Er drehte sich widerspenstig, aber er drehte sich. Ein Ring daneben war der Türknauf. Mr. Sutton-Cornish ergriff ihn und zog einen der Türflügel auf.
    Er richtete sich auf und steckte mit einer anmutig lässigen Geste den Stock durch die Öffnung. Und dann stieß ihm zum zweiten Mal an diesem Abend etwas Unfaßbares zu ...
    Er fuhr heftig herum. Niemand achtete auf ihn. Die Auktion hatte sich festgefahren. Die stummen Männer schlenderten schon wieder in die Nacht hinaus. In einer Pause ertönte Gehämmer aus dem Hintergrund des Ladens. Der rundliche kleine Auktionator machte jetzt ein Gesicht wie einer, der eine Kröte schlucken muß.
    Mr. Sutton-Cornish blickte auf seine behandschuhte Rechte herab. Es war kein Stock darin. Es war nichts darin. Er trat zur Seite und schaute hinter die Tür. Es lag kein Stock auf dem staubigen Fußboden.
    Er hatte nichts gespürt, keinen jähen Ruck. Der Stock war lediglich ein Stück weit durch die Türöffnung gedrungen und dann – hatte er einfach aufgehört zu existieren.
    Er bückte sich und hob einen Papierfetzen auf, knüllte ihn hastig zu einer Kugel zusammen, blickte noch einmal hinter sich und warf die Kugel durch die Öffnung der Tür.
    Dann stieß er einen langsamen Seufzer aus, worin eine Art steinzeitlicher Verzückung mit zivilisiertem Staunen kämpfte. Die Papierkugel fiel nicht hinter der Tür zu Boden. Sie fiel mitten in der Luft glatt aus der sichtbaren Welt heraus.
    Mr. Sutton-Cornish streckte die leere Hand aus und drückte ganz langsam und sachte die Tür zu. Dann stand er einfach da und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Haremstür«, sagte er nach einer Weile ganz leise. »Ausgang eines Harems. Wirklich, eine Idee.«
    Und eine sehr reizvolle Idee. Vorüber die Nacht der Freuden mit dem Sultan, und die seidene Dame würde höflich zu dieser Tür geleitet werden, würde ahnungslos hindurchschreiten. Dann das Nichts. Kein Schluchzen im Finstern, keine gebrochenen Herzen, kein Mohr mit grausamen Augen und großem Krummschwert, keine Schlinge aus Seidenschnur, kein Blut, kein dumpfes Aufklatschen im mitternächtlichen Bosporus. Nur das Nichts. Eine kühle, glatte, tadellos geplante und gänzlich unwiderrufliche Aufhebung des Seins. Jemand würde die Tür schließen, den Schlüssel umdrehen und abziehen, und damit hätte es sich vorerst.
    Mr. Sutton-Cornish bemerkte nicht, wie sich der Laden leerte. Undeutlich hörte er die Tür zur Straße zufallen, dachte sich jedoch nichts dabei. Das Hämmern hinten im Laden brach für einen Augenblick ab, es wurde gesprochen. Dann näherten sich Schritte. Es waren ermattete Schritte in der Stille, die Schritte eines Mannes, der nun von diesem Tag wie von vielen solchen Tagen genug hatte. An Mr. Sutton-Cornishs Ellbogen setzte eine Stimme ein, eine Tagesend-Stimme.
    »Ein sehr schön gearbeitetes Stück, Sir. Liegt mir zwar nicht so ganz – rundheraus gesagt.«
    Mr. Sutton-Cornish sah ihn nicht an, noch nicht. »Es läge wirklich nicht jedermann«, sagte er ernsthaft.
    »Ich sehe, daß es Sie trotzdem interessiert, Sir.«
    Mr. Sutton-Cornish wandte langsam den Kopf. Unten auf dem Boden, von seiner Kiste herabgestiegen, war der Auktionator geradezu ein Zwerg. Ein schäbiges, ungebügeltes, rotäugiges Männchen, vom Leben nicht gerade gehätschelt.
    »Ja, aber was könnte man damit anfangen?« fragte Mr. Sutton-Cornish heiser.
    »Nun – es ist eine Tür wie jede andere, Sir. Bißchen schwer, bißchen ausgefallen. Aber doch eine Tür wie jede andere.«
    »Das frage ich mich«, sagte Mr. Sutton-Cornish, noch immer

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