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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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sich um äußerst schwierige Fälle handele, besonders, weil einheitliche Richtlinien, wer als Genie zu gelten habe, fehlten. Sie müßten erst erarbeitet werden. Wenn Brallkes durch eine Spende dazu beitrügen, daß eine Kommission sich mit der Era r beitung solcher Richtlinien befassen kann, wäre man sehr dankbar. Sie legten hundert Mark auf den Tisch und verabschiedeten sich in dem Bewuß t sein, sich wieder an eine Stelle gewandt zu haben, die ihnen Geld abve r langte.
    Je mehr wir unternehmen, desto schlimmer wird es, sagten sie sich.
    Sie fühlten, daß sie zum Gespött der Leute geworden waren. So schlö s sen sie sich immer mehr ab, ließen Robert freie Hand, und obwohl er nun schon achtzehn Jahre alt war, eigentlich volljährig, ließen sie ihn in ihrer Villa gewähren. Nach wie vor schlich er nachts durch das Haus, nach wie vor erzeugte er dann unheimliche Töne. Sie atmeten ein wenig auf, als er ihnen eines Tages Karten für die Uraufführung seines 1. Klavierkonzerts vorlegte, die in der ehemals königlichen Akademie stattfinden sollte. Pünk t lich stellten sie sich ein, nahmen schüchtern auf den Logensesseln Platz, starrten auf das Orchester, dem scheußliche Masken umgebunden waren, und nahmen von Tönen nichts wahr.
    Die Mutter gab später an, sich an Töne erinnert zu haben, wie er sie nächtlich im Haus zu erzeugen pflegte.
    Mit einem Blitz und nachfolgendem Gewitterknall endete das Konzert. Sie konnten nachher nicht mehr sagen, ob die Leute Beifall oder Buh spend e ten, sie hatten das Gefühl, taub geworden zu sein.
    Bei der Feier standen sie mit dem Sektglas in der Hand und läch elten j e dem stumm zu, der sie begrüßte und etwas zu ihnen sagte, sie hörten nicht, was.
    Zu Hause wartete Frau Ilse auf die nächtlichen Geräusche, wobei sie ve r gaß, daß Robert noch feierte und gar nicht da war. Gegen vier Uhr mo r gens hörte sie ein Auto vorfahren, dann Gekicher und schließlich Türkla p pern und immer wieder Gekicher, das in Stöhnen überging.
    Die Gespenster sind wieder da, sie flüsterte und hatte Scheu, das Bett zu verlassen, obwohl sie dringend zur Toilette mußte. Erst nachdem es hell geworden war, verstummten die Laute. Da schlich sie sich aus dem Bett, und als eine Lerche zu singen anfing, erinnerte sie sich daran, wie schön dieses Haus gewesen war, als Robert noch nicht existierte. Aber solche Gedanken, dachte sie entsetzt, kämen ja dem Wunsche gleich, daß er nicht mehr leben solle.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    5
     
    Sie konnten nicht behaupten, daß Robert undankbar war. Bei der Urau f führung seiner Oper schleppte er sie fast gewaltsam vom Parkett auf die Bühne, um ihnen den ihm zugedachten Lorbeerkranz zu überreichen, ja, er setzte ihn sogar der sich sträubenden Mutter auf die Frisur, was sie um so mehr verwirrte, als die Geräusche der Oper ihnen Schauer über den R ü cken getrieben hatten, es zum anderen Gruppen von hartnäckigen Buh-Rufern gab, die die Bühne mit einem Hagel von verfaultem Obst einzud e cken versuchten. Sie beschlossen, nie wieder zu einer Aufführung ihres Sohnes zu erscheinen.
    Brallke selbst neigte nach wie vor zur Ansicht, daß dem Studio metamo r phosis ein Fehler unterlaufen sei, unsaubere Arbeit, Pfusch. Er freute sich jedesmal, wenn in einer Publikation ein Verriß der Werke seines So h nes erschien. Er sammelte die Verrisse in einer Mappe und meinte, wenn sie genügend angeschwollen sei, könnte er den Prozeß um die Rüc k zahlung der 150 000 Mark wagen.
    Als er eines Tages meinte, die Mappe sei ausreichend mit Beweisen über die fehlende Genialität seines Sohnes gefüllt, ging er zu einem Rechtsa n walt, der ihm als Fachmann für Fälle von Vertragsbrüchen empfohlen war. Kaum erblickte er ihn hinter seinem schwarzen Schreibtisch, kam er ihm unheimlich vor. Nicht nur, weil er einen sehr langen Spitzbart trug, nein, er hatte überdies einen Knebelbart, sah wie ein Truppenführer aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges aus und hielt ein Drahtgestell vor seine kleinen Augen, um die gesammelten Materialien zu prüfen, ab und zu kicherte er wie ein Zwerg, aber manchmal lachte er laut heraus.
    Man möchte doch mit den Ohren wohltuende Melodien hören… Sehr schön formuliert, Herr Brallke, das möchte man. Aber was möchten Sie? Ihr Geld zurück. Das habe ich mir gedacht. Im übrigen bin ich ein Anh ä nger der Musik Ihres Sohnes. In seiner Musik ist etwas, das hat man bisher nie so deutlich bewußt gemacht bekommen: es ist das

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