Professor Mittelzwercks Geschöpfe
bringen geschrieben hat. Er hat es den Künstlern und beso n ders seinen Kollegen, den Schriftstellern, gewidmet, er hat vor allem sie damit gemeint, und auf die Frage, womit die Schriftsteller sich in Überei n stimmung bringen sollen, würde ich mit einer schweifenden Handbew e gung antworten, mit der Politik der Regierung ihres Staates, und ich würde bet o nen, sich in übereinstimmung bringen ist sein Hauptwerk, er hat sich in ihm selber dargestellt und dabei den Geist unserer Epoche getroffen, und würde ich gefragt werden, ob es sich bei sich in übereinstimmung bringen um ein Werk der Science-fiction handelt, würde ich sagen, ja, und gefragt, ob es ein schwerer Wälzer sei, in Leinen gebunden, bibliophil illustriert, würde ich antworten, es besteht aus den vier Worten sich in übereinstimmung bri n gen. Sie befinden sich in einem Zeitungsartikel, den Y einst veröffentlicht hat, und das Erstaunliche an dem Werk ist, daß diese wenigen Worte beim Lesen einen ungeheuren Umfang erreichen können.
sich in übereinstimmung bringen; darin kann ein Riesenroman gespeichert sein, ein Drama, eine Erzählung, eine Dokumentation, je nachdem, über welche Erfahrungen und welche Vorstellungskräfte der Leser, dem diese vier Worte vor Augen kommen, verfügt. Vielleicht wird er sich in überei n stimmung bringen als die Geschichte eines technischen Vorgangs begreifen, einer Schaltung oder einer Operation, die jemand an sich vo r nehmen soll, vielleicht wird sein geistiges Ohr knarrende, knirschende oder leise kn a ckende Geräusche hören, sein geistiges Auge eine Kontrolllampe an der Stirn des sich in Übereinstimmung Bringenden grünlich flackernd anzeigen sehen, daß die Übereinstimmung erfolgt ist oder zu mißlingen droht, und er wird vielleicht versuchen sich genau vorzustellen, wie die Methode des sich-in-übereinstimmung-bringens wissenschaftlich oder tec h nisch vor sich geht. Vielleicht sieht er in einem blankgeputzten Saal Schriftsteller und Schriftstellerinnen aufgereiht, die nervös an sich heru m schalten, um sich in Übereinstimmung zu bringen, und der unsichtbare kontrolleur stellt dann fest, wem es am besten gelungen ist. Einige sind begabte fixe Schalter, die es auf Anhieb können, andere kriegen ihre sich-in-übereinstimmung - bringung nie in den Griff, der Schalter bricht ab, andere stehen störrisch da, und manche ergreifen beim elektronischen Kommando achtung – übereinstimmung – fertig die Flucht. Aber der Leser möchte sich nicht nur vo r stellen, wie die sich-in-übereinstimmungbrin gung äußerlich vor sich geht, viellei cht ist er hinterhältig, hat Or well gelesen, und übe r legt nun, was an Ihrem bedeutenden Werk das epochal Besondere sein könnte, das über Orwell hinausweist.
Als ich sich in übereinstimmung bringen zum ersten Mal las, fiel mir ein Werk ein, das ich ebenfalls zur Science-fiction rechnen möchte: ingenieure der menschlichen seele von J.W. Stalin. Wie Ihr Werk besteht auch jenes aus wenigen Worten, aber nicht nur darin ähnelt es Ihrem. Stalin hatte eine Neigung, sich bildhaft, sofort einleuchtend und dabei hintergründig wie ein Orakel auszudrücken, und als ich sein Werk ingenieure der menschl i chen seele zum ersten Mal vor Augen bekam, verstand ich es so, daß Schriftsteller, denn auf sie bezog es sich, von der menschlichen Seele s o viel Kenntnis besitzen sollten, wie Ingenieure von einer komplizierten M a schine, also nicht oberflächlich etwas über die in ihren Büchern auftrete n den Personen hinschreiben, sondern ihr Inneres kennen und, wie es immer heißt, Charaktere gestalten sollen, und ich nahm auch an, daß ingenieure der menschlichen seele besonders für Funktionäre gedacht war, die Ingen i eure für wichtiger hielten als Schriftsteller und von der schönen Literatur nichts wissen wollten, für die der Ingenieur ein Zaubermeister war, weil er verstand, was da in einer für normale Menschen undurchschaubaren M a schine vor sich ging, ein seltener Spezialist in einem Land, das, mit der Technik im Rückstand, Sozialismus mit industriellem Fortschritt gleichset z te. Möglicherweise sollte es eine gesellschaftliche Erhöhung des Schriftste l lers sein, wenn Stalin ihm den Titel eines Ingenieurs verlieh, es hörte sich einleuchtend an: auch für die Seele brauchen wir Ingenieure, liebe Geno s sen. ingenieure der menschlichen seele ließ sich auch nur als Bonmot des sprachbegabten Diktators, als Gelegenheitswerk, dem ein kurzes L e ben beschieden sein
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