Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
Liebe.«
Und da draußen der Applaus verrauschte und die Tür aufging: »Gnädiges Fräulein, man ist bereit, für Sie zum Mörder zu werden.«
»Ihre faulen Redensarten können Sie sich sparen«, erwiderte sie ungnädig. »Ich hab mit Ihrem Lehrer über Sie gesprochen, der ist auch nich gerade begeistert von Ihnen.«
»Was will denn der alte Hammel?«
»Fassen will er Sie und Wurst aus Ihnen machen, sonst nichts!«
»Fräulein Rosa«, stammelte Ertzum; er hatte, seit sie im Zimmer war, einen demütigen Rücken und einen Blick, der flehte.
»Mit Ihnen is auch nischt los«, erklärte sie ihm. »Das einfachste wär doch wohl gewesen, Sie wären im Saal geblieben und hätten anständig geklatscht. Da sind gewisse Rauhbeine, die wollten mich anöden.«
Ertzum stürzte vor.
»Wo sind die Kerls! Wo sind die Kerls!«
Sie holte ihn zurück.
»Sein Sie so gut! Machen Sie Krach! Dann flieg ich noch heut abend hier raus. Können Sie mir vielleicht Ihr Palais zur Verfügung stellen, Herr Graf?«
»Sie sind ungerecht, gnädiges Fräulein«, sagte Lohmann. »Er ist erst heute wieder Ihretwegen bei seinem Vormund, Konsul Breetpoot, gewesen. Aber dieser Bürger hat keinen Sinn für die große Leidenschaft, er gibt kein Geld her. Ertzum möchte Ihnen, soviel an ihm liegt, alles zu Füßen breiten: seinen Namen, eine glänzende Zukunft, ein Vermögen. Er ist weiß Gott von hinreichend einfachem Geiste, um das zu tun. Darum gerade, gnädiges Fräulein, wäre es unrecht von Ihnen, wenn Sie seine so sympathische Einfachheit mißbrauchen wollten. Schonen Sie ihn!«
»Ich werd wohl allein wissen, was ich zu tun hab, Sie Baffze … Und wenn Ihr Freund keine solche Schnauze hat wie Sie, denn hat er darum bloß noch mehr Aussicht, daß er bei mir –«
»Das Ziel der Klasse erreicht«, ergänzte Kieselack.
»Sie kenn ich, Sie sind einer von den Heimlichen«; und sie trat Lohmann näher. »Hier tun Sie, als ob die Welt Sie kaltließe, und hinterrücks bedichten Sie einen in dreckiger Weise.«
Lohmann lachte verlegen.
»Sie sind überhaupt der letzte, dem ich ’n irgendwie triftigen Grund geben werd zu der Annahme, ich könnt in die Wochen kommen. Verstehn Sie mich? Der letzte.«
»Also gut. Der letzte. Ich warte so lange«, sagte Lohmann gelangweilt; und indes sie ihm den Rücken drehte, streckte er die Beine von sich und richtete das Gesicht gegen die Decke. Er saß hier ja ohne persönliches Interesse und nur als ironischer Zuschauer. Ihm konnte doch die Person gleich sein. Um sein, Lohmanns, Herz stand es wahrhaftig viel zu ernst, viel ernster, als man je erfahren würde … Er machte sich einen Panzer aus Spott …
Das Klavier hatte sich ausgeruht.
»Rosa, Ihr Lieblingswalzer!« sagte die dicke Frau.
»Wer will tanzen?« fragte Rosa. Sie wippte schon, und sie lächelte Ertzum zu. Aber Kieselack kam dem breiten Junker zuvor. Er legte Hand an Rosa, wie zu einem Gassenjungenstreich, drehte sie heimtückisch sachte herum und schleifte plötzlich ganz weit aus. Sie fiel fast hin. Dabei streckte er ihr die Zunge aus und kniff sie, von allen ungesehen, auf der Rückseite. Sie erschrak und sagte ärgerlich und zärtlich: »Wenn du Ekel das noch mal tust, sag ich es ihm, und er verhaut dich.«
»Das laß bleiben!« riet Kieselack ihr wispernd. »Sonst sag ich ihm auch was.«
Sie lachten, ohne die Mienen zu verziehen. Ertzum sah ihnen zu, verstörten Blicks, das blondrote Gesicht voller Schweißtropfen.
Inzwischen hatte Lohmann die dicke Frau aufgefordert. Rosa ließ Kieselack stehen und sah Lohmann zu, der gut tanzte. Die dicke Frau ward unter seinen Händen ganz leicht. Als es ihm genug schien, verbeugte er sich gnädig und kehrte, ohne Rosa zu bemerken, an seinen Platz zurück. Sie folgte ihm.
»Tanzen kann man meinswegen mit Ihnen. Wenn Sie auch sonst zu nischt zu brauchen sind.«
Er zuckte die Achseln, drückte seine Gleichgültigkeit noch durch einen der schauspielerhaften Faltenwürfe seines Gesichts aus und erhob sich. Sie walzte lange, schwelgerisch und hingegeben.
»Haben Sie genug?« fragte er endlich höflich. Und als sie erwachte: »Nun, dann –«
»Hab ich ’nen Durst!« rief sie, außer Atem. »Herr Graf, geben Sie mir was zu trinken, oder ich fall um.«
»Er steht selbst nicht sicher«, bemerkte Lohmann. »Er sieht ja aus wie der besoffene Mond.«
Ertzum keuchte, als ob die ganze Zeit nur er das Mädchen herumgedreht hätte. Er senkte eine Flasche, die ihm in der Hand zitterte und aus der nur noch
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