Profit
zwecklos. Er sank zusammen. Vasvik ließ plötzlich los und war weg. Chris hörte, wie der Ombudsmann den Hocker vom Boden aufhob. Als er sich aufgerappelt und umgedreht hatte, saß Vasvik bereits wieder. Ein feiner Schweißfilm stand ihm auf der blassen Stirn, doch ansonsten erweckte er den Anschein, als sei nichts passiert.
»Mein Fehler«, sagte er ruhig, ohne Chris anzusehen. »Ich hätte Sie gar nicht an mich heranlassen dürfen. In einer kambodschanischen Handelszone kriegt man für solche Nachlässigkeiten leicht eine Kugel in den Hinterkopf.«
Chris stand da, blinzelte sich Tränen aus dem Auge. Vasvik seufzte schwer. Seine Stimme klang dumpf und verdrossen.
»Als Ombudsmann im Einsatz verdienen Sie umgerechnet ungefähr einhundertachtzigtausend Euro im Jahr, eingeschlossen eine Gefahrenzulage, auf die Sie für schätzungsweise sechzig Prozent Ihrer Tätigkeiten Anspruch haben. Undercover-Operationen, Razzien, Zeugenschutz. Die restliche Zeit wird man Sie ins Büro setzen. Verwaltung und Planung. Anderenfalls ist man zu schnell ausgebrannt.« Nochmals tiefes Luftholen. »Wohnung und Schulen für Ihre Kinder sind gratis, im Dienst entstandene Kosten werden erstattet. Der Spruch über Ihre Mutter tut mir Leid. Das hatten Sie nicht verdient.«
Chris hustete ein Lachen heraus. »Hab’s Ihnen doch gesagt, dass ich mehr verdiene als Sie.«
»Ja, na gut, dann können Sie mich mal.« Vasviks Stimme erhob sich kein einziges Mal über die müde Eintönigkeit. Sein Blick blieb unablässig auf eine Ecke der Werkstatt gerichtet.
»Gefällt es Ihnen?«, fragte Chris schließlich.
Jetzt sah der Ombudsmann ihn an. »Es macht etwas aus«, sagte er, jedes einzelne Wort betonend, als habe er plötzlich Schwierigkeiten mit der englischen Sprache. »Man tut etwas, das bedeutsam ist. Ich erwarte nicht, dass Sie das verstehen. Es klingt wie ein schlechter Witz, wenn man es ausspricht. Aber es hat Bedeutung.«
Eine Weile lang sahen sie einander an. Dann griff Chris in sein Jackett und zog eine in Plastik gehüllte Disk hervor.
»Dies ist eine Aufschlüsselung der Geschäfte, die ich bei Shorn betreue. Sie enthält nichts, was für Sie direkt verwendbar ist, aber jeder, der sich mit der Materie auskennt, kann daraus erschließen, was ich weiß. Nehmen Sie sie mit und fragen Sie, ob ich das Extrahieren wert bin. Was die Bezahlung angeht, verlange ich das Paket, das Sie eben beschrieben haben, plus eine Million Dollar – oder das Entsprechende in Euros – beim Wechsel auf die Hand.«
Er sah den Ausdruck auf Vasviks Gesicht. Er hörte, wie seine Stimme hart wurde.
»Die Forderung ist nicht verhandlungsfähig. Ich erleide große Verluste, wenn ich jetzt abspringe. Ich bin hier rundum gut versorgt. Aktienoptionen, Sonderleistungen für Führungskräfte. Das Haus, das Renommee in der Branche, Kundenverbindungen. Das hat alles einen Wert für mich. Wenn Sie mich haben wollen, müssen Sie mir etwas Entsprechendes bieten.«
Er warf Vasvik die Disk zu. Der fing sie auf und betrachtete sie neugierig. Dann sah er wieder zu Chris hin.
»Und wenn wir Sie doch nicht so dringend haben wollen?«
Chris zuckte die Achseln. »Dann bleibe ich hier.«
»Ach ja? Sicher, dass Ihnen das noch schmecken wird?«
»Ich bin nicht wie Sie, Vasvik.« Chris wischte an dem Riss in seiner Wange und hatte anschließend Blutflecken an den Fingern. »Mir schmeckt alles, was ich zwischen die Zähne bekomme.«
Vasvik verließ London auf der Ladefläche eines abgedeckten Lkws, der von Mel zur Verfügung gestellt wurde und auf dem Weg nach Paris war, um Renault-Ersatzteile abzuholen. Er wurde von Jess gesteuert, ohne Beifahrer. Fachkräfte von UNECT würden den Ombudsmann am Zielort in Empfang nehmen. Es würden keine Fragen gestellt werden. Carla hatte Mel die ganze Geschichte als ein Gerangel um exklusive Lieferverträge verkauft, dergestalt, dass Volvo ein geheimes Angebot abgegeben habe, um den Status von BMW bei Shorn zu erschüttern. Sowohl Mel als auch Jess hassten BMWs mit tiefer und unerschütterlicher Leidenschaft, und ihrer Ansicht nach war alles, was die Zahl dieser Autos auf den Londoner Straßen verringerte, unbedingt zu unterstützen, meine Güte, also wirklich.
Ein paar Minuten später kam Carla, eine in die Stirn geschobene Schweißermaske tragend. Chris versuchte den Schaden an seinem Gesicht mit Hilfe einer Spiegelscherbe abzuschätzen, die er auf dem Fußboden gefunden hatte.
»Was hast du ihm gesagt?«, fragte sie zornig.
Chris
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