Profit
Transportnetzausverkauf?«
Chris gab auf und strengte sein Gedächtnis an. Das nordöstliche Ende der ehemaligen Volkrepublik China gehörte nicht zu seiner Interessensphäre. Von Bestrebungen der Volkschinesen, die das Tarim-Becken betrafen, abgesehen, schenkte er der Region kaum Beachtung. Und seine Kontakte mit der Emerging-Markets-Abteilung von Shorn waren bislang minimal gewesen. Sie waren ein durchaus hartgesottener Haufen, wenn auch nach CI-Maßstäben recht weltläufig.
Aber wenn er sich Mikes Leidensgeschichte jetzt anhörte, konnte er hinterher vielleicht den Bock, den er geschossen hatte, besser verkaufen.
Also nachdenken.
Er erinnerte sich an eine spätabendliche Pöbelsitzung in einer Weinbar vor einer Woche. Mike und einige elegante Chinesinnen aus Shorns EM-Abteilung. Die arbeiteten an einer Sache, die ein altes CI-Geschäft berührte, Guerillagestalten aus dem vorigen Jahrzehnt, zu politischen Führungsfiguren aufgebaut und jetzt gemütlich an den Schalthebeln sitzend. Privatisierungsschemata und Rufmord an den Hauptakteuren. Wem durfte man über eine weitere Strecke trauen, als man ihn werfen konnte? Wüstes Machogerede. Der Wein hatte nichts getaugt.
»Chris?«
»Yeah, ja.« Er stocherte nach irgendeinem Namen. »Die Tseng-Geschichte, ja?«
»Richtig.« Es war schwer zu bestimmen, ob Bryant ärgerlich war oder belustigt. »Hatte alles vorbereitet, hätten nur noch loszulegen brauchen. Und jetzt hat irgend so ein Beamtenfuzzi eine, pass auf, Verfügung erwirkt, um den Verkauf zu verhindern. Mit der Begründung, das sei nicht mit der ’37er Verfassung zu vereinbaren.«
»Und, stimmt das?«
»Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Ich bin kein EMer, oder? Irene Lams Truppe ist für den rechtlichen Kram zuständig.«
»Na ja, könnt ihr nicht, was weiß ich, ein Gesetz verabschieden oder so? Das bestehende Recht ändern? Es ist doch eine andere Sachlage als bei CI. Da draußen seid ihr die Regierung.«
Mike seufzte hörbar. »Ja, ich weiß. Scheißpolitik. Gebt mir lieber eine Kalaschnikow und irgendeinen Deppen, der sie abfeuert, das haut einfach besser hin. Na gut, was liegt an?«
»Was?«
»Du klangst besorgt eben.«
»Ach so, ja. Nur ’ne kleine Panne. Barranco wird am achtzehnten in London eintreffen…«
»Am achtzehnten. Ah, Scheiße, Chris. Das ist zwei Tage nach Echevarria.«
»Ich weiß.«
»Hättest du nicht…«
»Ja, meine Schuld, ich weiß. Ich hatte Lopez Carte blanche gegeben, dass er ihn so schnell wie möglich herschafft. Andere Parameter gab es nicht.«
»Carte blanche?« Er konnte Mike grinsen hören. »Wer ist die Tussi? Ja, na gut, ich glaube nicht, dass das groß was ausmacht. Wir sollten nur dafür sorgen, dass sie nicht in irgendeinem Flur übereinander stolpern.«
»Oder auf der North Memorial. Ich dachte mir…«
Aufprall!
Das satte Knirschen, wenn Metall auf Metall trifft. Der Saab machte einen jähen Ruck nach links und begann vom Heck ausgehend zu schleudern. Chris’ Fuß glitt vom Gaspedal, er spürte das tückische Rutschen, als die Räder im Wasser den Halt verloren.
»Scheiße!«
»Wassen jetzt los?« Bryant, gähnend.
Er kämpfte gegen das Schleudern an, nahm die Geschwindigkeit so schnell herunter, wie er es glaubte wagen zu dürfen. Zwischendurch Blicke in den Spiegel, auf der Suche nach dem anderen Auto. Zähne zusammengebissen.
»Wo bist du, du Scheißkerl?«
»Chris? Alles in Ordnung?«
Ein weiteres Knirschen von hinten. Er hatte den Wagen noch nicht ganz wieder unter Kontrolle und kam jetzt erneut ins Schleudern. Er drehte hektisch am Lenkrad.
»Du Arschloch!«
»Chris?« Mike hatte inzwischen kapiert, was los war. Seine Stimme war dringend. »Was geht da draußen vor?«
»Ich…«
Noch ein Aufprall. Ihm schien, diesmal könnte der Saab sich einmal ganz um sich selbst drehen. Während er dagegen ankämpfte, erhaschte er einen Blick auf das andere Fahrzeug, das sich kurz zurückfallen ließ. Graue Grundlackierung, konnte ein alter Mitsubishi sein, nach dem zu urteilen, was er an Umrissen erkennen konnte, aber auf Grund all der spezialgefertigten Panzerung war das schwer zu beurteilen.
No-Namer?
Er kam wieder heran, und das Schleudern…
Er traf die Entscheidung so schnell, dass sie erst hinterher ins Bewusstsein drang. Als das andere Auto vorwärts schoss, riss er das Steuer wieder zurück und überließ sich dem Schwung des Schleuderns. Sein Magen ging auf Grundeis. Der No-Namer traf ihn, aber Chris hatte sein Manöver
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