Profit
richtete ihren Blick auf Chris. »Nun?«
»Ja.« Chris musste die Benommenheit abschütteln, mit der die plötzliche zivile Wendung der Ereignisse ihn geschlagen hatte. Er hatte erwartet, dass er mittlerweile entweder in einer Zelle sitzen oder aber mindestens seinen Schreibtisch ausräumen würde. »Ja, es ist wahr. Arbenz ist tot oder stirbt gerade an einem Zusammenbruch des Immunsystems. MCH-Bioware-Munition. Und Diaz ist entweder auf der Flucht oder schon gefangen, und wir haben bloß noch nichts davon gehört, in welchem Fall Echevarrias Geheimpolizei ihn bereits zu Tode gefoltert haben dürfte.«
»Sehen Sie.« Mike nickte bekräftigend. »Barranco ist das, was wir haben, und noch vor einer Stunde sah es fast so aus, als würden wir ihn nicht bekommen. Echevarria war im Begriff, sich die Waffen zu schnappen, die wir ihm vorgeschossen hatten, und dann auf Nimmerwiedersehen in Richtung Lloyd Paul oder Calders RapCap zu verschwinden. Und Barranco musste denken, wir hätten ihn verkauft. Unter diesen Umständen hat Chris meines Erachtens das einzige Mittel ergriffen, das wenigstens Aussicht hatte, die Situation noch zu retten. Jetzt haben wir immerhin noch eine Chance.«
Hewitt schüttelte den Kopf.
»Dieser Fall muss Notley vorgelegt werden.«
»Das sehe ich auch so. Aber es ist ein Unterschied, ob man es ihm als ein sauber geschnürtes Paket vorlegt oder als einen wüsten Schlamassel.«
»Es ist ein wüster Schlamassel, Mike. Barranco hätte gar nicht erst in die Nähe von Echevarria gelangen dürfen.«
»Wir machen alle Fehler, Louise.«
Etwas in Bryants Tonfall ließ Hewitt herumfahren. »Soll was heißen?«
»Na ja, Sie haben die Limo für Barranco autorisiert.« Mike war die Unschuld in Person. »Ich meine, sicher, Sie haben wahrscheinlich angenommen, dass Chris hier sein würde, um ihn in Empfang zu nehmen. Und dann war Chris stattdessen beim Hilton, sodass…«
»Chris war verdammt spät dran«, sagte Louise Hewitt vielsagend.
»Ja, das war auch ein Fehler. Die Limo war ein Fehler. Und Scheiße, es war mein Fehler oder Nicks, dass wir die Tür zum Beobachtungszimmer offen gelassen haben. Gar nicht zu reden von dem Idioten, der Barranco erzählt hat, wo wir zu finden seien. Sie haben Recht, Louise, wir haben einen ordentlichen Schlamassel angerichtet. Aber niemandem von uns ist damit gedient, wenn wir ihn Notley so präsentieren. Wir müssen das Positive hervorheben.«
Ein paar Sekunden lang schwieg Hewitt. Chris konnte beinahe das Surren ihrer Konzentration hören, als sie die Angelegenheit in Gedanken durchspielte. Dann bedachte sie beide mit einem säuerlichen Lächeln und nickte.
»Na schön«, sagte sie. »Dann wollen wir mal das Paket schnüren, nicht wahr.«
VIERUNDDREISSIG
Echevarria starb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, kurz vor Mittag an wiederholt auftretenden inneren Blutungen. Vicente Barranco war anwesend, um ihm beim Sterben zuzusehen. Alle anderen waren dafür zu beschäftigt.
Seit Hewitt grünes Licht gegeben hatte, waren sie am Wirbeln.
»Besorgt euch seine Telefonprotokolle von Brown’s«, rief sie ihnen zum Abschied noch zu, bevor sie sich auf die Suche nach Notley machte. »Stellt fest, ob er irgendwelche Anrufe für heute Nachmittag angemeldet und ob er mit irgendjemandem regelmäßig kommuniziert hat. So bekommen wir eine Vorstellung davon, wie viel Zeit wir zur Verfügung haben. Und fangt schon mal an, einen Plan für die Entsorgung zu entwickeln.«
Chris verbrachte die folgende Stunde damit, die Akten nach nützlichen Terroristen zu durchwühlen.
Mike Bryants Büro wurde zur Kommandozentrale. Chris requirierte das Datadown, während Mike mit seinem Handy auf und ab lief und mit Leuten redete. Sie schickten Makin los, sich um die Telefonprotokolle zu kümmern. Sämtliche geschäftlichen Eingänge wurden in den neunundvierzigsten Stock umgeleitet, wo Junioranalysten angewiesen waren, alles auf Eis zu legen, was keine Verbindung zur NAME hatte. Den so geschaffenen Freiraum konnten sie nutzen, um den Alternativplan zu erstellen. Eine in Miami stationierte Langley-Einheit wurde engagiert, um Echevarria junior aufzuspüren und zu beschatten. Die Aufzeichnungen aus dem Konferenzzimmer wurden von allen externen Datenflussdurchlässen isoliert und einer grauhaarigen, von der Firma Imagicians zur Verfügung gestellten Datenfake-Expertin auf einem selbständigen Projektor vorgeführt. Die Expertin schüttelte den Kopf wie eine bitter enttäuschte
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