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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Nemex sinken und steckte sie in den Gürtelbund. Er schüttelte den Kopf.
    »Hübsches Bild. Eine Eiterbeule, die darauf wartet zu platzen. Charmant. Sie müssen an Ihrem Stil arbeiten, Faulkner.«
    Er sah sich um und entdeckte einen Stuhl, zog ihn zum Schreibtisch und setzte sich. Chris stierte ihn verblüfft an. Er war noch überschwemmt von körpereigenen Chemikalien, ausgesandt von einem Nervensystem, das fest mit seiner Erschießung gerechnet hatte. Notley lächelte.
    »Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen«, sagte er geruhsam. »Von einem Burschen namens Webb Ellis. Ist auf meine alte Schule gegangen, ungefähr zweihundert Jahre vor mir. Was, nebenbei gefragt, schließen Sie daraus?«
    Chris blinzelte. »Dass er reich war?«
    »Sehr gut. Nicht ganz treffend, aber nahe dran. Webb Ellis war sehr gut vernetzt, wie man heutzutage sagen würde. Er hatte Beziehungen. Der Vater starb, als er noch klein war, aber seine Mutter hat diese Beziehungen spielen lassen, sodass er mit sechzehn immer noch zur Schule gehen konnte. Unter anderem war er ein ziemlich guter Fußball- und Cricketspieler. Und während eines dieser Fußballspiele hat er offenbar massiv gegen die Regeln verstoßen, indem er den Ball in die Hand nahm und damit loslief. Wissen Sie, was mit ihm passiert ist?«
    »Äh… er wurde vom Platz gestellt?«
    Notley schüttelte den Kopf. »Nein. Er wurde berühmt. Man erfand ein ganz neues Spiel, bei dem der Ball getragen wurde.«
    Chris runzelte die Stirn. »Rugby.«
    »Richtig. Letzten Endes haben sie’s dann nach der Schule benannt. Der Grund ist nachvollziehbar. Webbellisball wäre ein Zungenbrecher gewesen. Aber das ist die Legende, wie das Rugbyspiel entstand. Hängt sogar eine Gedenktafel in der Schule, die an den alten Webb Ellis erinnert, und an den Tag, an dem er die Regeln verletzt hat. Bin jeden Tag daran vorbeigekommen.«
    Stille sickerte ins Zimmer.
    »Ist das eigentlich wahr?«, fragte Chris schließlich.
    Notley grinste. »Nein. Wahrscheinlich nicht. Es ist einfach ein nützliches Stück Schulmythologie, in Stein gehauen, damit sie der Wahrheit ähnelt. Aber es ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, repräsentativ für das, was ein ganzer Haufen von sehr unterschiedlichen Eliteschülern zu jener Zeit tat. Nämlich die Regeln verletzen und neue erfinden. Nach einiger Zeit hatte man ein offizielles Spiel mit festem Regelwerk daraus gemacht, das dann aber – man nennt das kreatives Marketing – einem einzelnen Mann zugeschrieben wurde, weil es das ist, was die Leute anspricht. Interessant ist aber Folgendes, Chris. Das Spiel war überhaupt nicht neu. Es geht bis in die Römerzeit zurück, mindestens. Man hatte derartige Spiele seit Jahrhunderten auf den Gassen der Dörfer und Städte gespielt, überall auf der britischen Insel. Und wissen Sie was? Gerade um die Zeit, als Webb Ellis und seine Freunde Sportgeschichte schrieben, wurde dem einfachen Volk mitgeteilt, per Gesetz und von großen uniformierten Männern mit Stöcken und Gewehren, dass es dieses Spiel nicht mehr spielen durfte. Weil es, und dies ist annähernd wörtlich zitiert, die öffentliche Ordnung störe und gefährlich sei. Erkennen Sie, Chris, wie so was funktioniert? Wie es seit eh und je funktioniert hat?«
    Chris sagte nichts. Es war noch keine fünf Minuten her, dass dieser Mann eine Pistole auf ihn gerichtet hatte. Noch traute er der Festigkeit des Eises nicht so weit, dass er sich hinaufbegeben mochte.
    »Okay.« Notley lehnte sich zurück. »Spulen wir ein paar Jahrhunderte vor. Das hier werden Sie wohl wissen. Wer war der Erste, der seinen Gegner beim Straßenkampf tötete?«
    »Äh, Roberto Sanchez, oder? Partnerschaftsherausforderung bei Calders Chicago, das war ungefähr, nein, Moment.« Chris siebte einen unerwarteten Infobrocken aus dem Meer von TV-Müll heraus, den er in den vergangenen Monaten über sich hatte hinwegspülen lassen. »Neuerdings heißt es, dass es nicht Sanchez war, sondern ein gewisser Rice, ein echter Rowdy aus dem Washingtoner Büro. Er ist Sanchez um ungefähr drei Monate zuvorgekommen?«
    Notley nickte. Er schien vorübergehend in Gedanken versunken. »Ja, so sagt man. Andere behaupten, es sei Begoña Salas von Iber Fondos gewesen. Das ist feministische Geschichtsneuschreibung, hat aber durchaus etwas für sich. Salas war Avantgarde zu der Zeit, und gefahren ist sie immer wie eine Geisteskranke. Es gibt noch eine andere Denkschule, derzufolge Calders die Idee von einer strategischen

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