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Profit

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Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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Planungsgruppe in Kalifornien geklaut hat. Dass Firmen wie Oco Holdings und die Sacramento Group bereits geheime Tests veranstalteten. Wollen Sie wissen, woran ich mich erinnere?«
    Wieder die Distanz in Notleys Blick, das Gefühl, dass er plötzlich ganz woanders war.
    »Klar. Woran denn?«
    Notley lächelte sanft. »Meine Erinnerung sagt mir, dass ich es war.«
    Flüchtiges Wiederauftauchen des ersten Eindrucks, den der Seniorpartner auf Chris gemacht hatte, an jenem ersten Tag, als er bei Shorn zur Arbeit erschienen war. Wie ein Troll in den elfenhaften Pastelltönen des Besprechungszimmers. Als er Notley jetzt betrachtete, konnte er hingegen das brutale Knistern der Macht in ihm erkennen, in den Ingram-Anzug mit hineingezwängt wie überschüssige Oberkörpermuskulatur, und der anfängliche Impuls, sich dem Mann Lächeln für Lächeln anzupassen, verflüchtigte sich abrupt. Sein Puls erholte sich langsam.
    Notley schien sich zu schütteln.
    »Es waren andere Zeiten, Chris. Heute haben wir uns daran gewöhnt, aber damals spürte man, dass ein Wandel in der Luft lag.« Er atmete tief ein. »Ein intensiver, frischer Geruch, wie verschüttetes Benzin. Es roch nach Potenzial. Die Domino-Rezessionen lagen hinter uns, eine nach der anderen waren sie gekommen, wir machten uns darauf gefasst, dass alles immer noch schlimmer kommen, dass es uns hinwegfegen würde, aber dann war es vorbei und wir standen immer noch. Ja, mehr noch, wir waren sogar kaum aus dem Schritt geraten. Ein paar Unruhen, ein paar Pleite gegangene Banken, der nukleare Unfug im Pandschab. Wir haben es locker überstanden, Chris, sind auf der Woge mitgesurft. Es war leicht.«
    Er machte eine Pause. Er schien auf etwas zu warten, das die Lücke füllen würde. Chris war eilig zu Diensten, fasziniert von der Intensität, die ihn über den Schreibtisch hinweg anwehte.
    »Sie mussten aber trotzdem noch fahren. Stimmt’s?«
    »O ja.« Eine lässige Handbewegung. »Die Dominos brachten uns das Wettkampffahren. Kompromisslose Lösungen für kompromisslose Zeiten. Aber damals ging alles noch recht zivilisiert zu, blieb nahe bei den Wurzeln. Wissen Sie, wie die Straßenraserei angefangen hat?«
    Er hatte Chris auf dem falschen Fuß erwischt. »Was? Oh, ja klar. Diese Formelautos, die sie manchmal auf dem Geschichtskanal zeigen; sahen aus wie kleine Raketen, nicht wahr? Mit der Zeit war es so, dass sie den Leuten gehörten, die das große Geld verdienten. Und dann, äh, als die Straßen immer leerer wurden und alles…«
    Er hielt inne. Notley hatte den Kopf geschüttelt.
    »Nein?«
    »Nicht so ganz. Tja, sicher, diese Dynamik war da. Das spielte auch eine Rolle, nehme ich an. Aber das reicht alles noch weiter zurück. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts, vor der Jahrtausendwende. Mein Vater hat mir davon erzählt. Damals haben bereits einige von den abgebrühteren Firmen mit Konfliktanreizen für ihre neuen Mitarbeiter experimentiert. Die Sache kam aus Amerika. Acht Trainees in einem Gruppenbüro, aber nur sieben Schreibtische.« Notley machte eine Was-zu-beweisen-war-Bewegung mit beiden Händen. »Also. Wer als Letzter ins Büro kam, musste auf der Fensterbank arbeiten. Oder Platz bei jemandem erbetteln, der einen besser funktionierenden Wecker hatte. Nach einiger Zeit kann man dann beobachten, wie sich die Gruppendynamik verändert. Derjenige, der am häufigsten zu spät kommt, wird zum schwächsten Glied in der Kette. Und die anderen verbünden sich gegen ihn. Schimpansenverhalten. Stellst du ihm Platz auf deinem Schreibtisch zur Verfügung, färbt seine Schwäche auch auf dich ab. Man darf sich nicht mit den falschen Leuten abgeben. Also lässt man es. Man kann es sich nicht leisten.«
    Chris war sich nicht ganz sicher, glaubte aber einen Hauch von Abscheu in Notleys Augen aufblitzen zu sehen. Oder vielleicht war es nur wieder die Energie.
    »So. Jetzt überträgt man diese Idee, lässt sie nicht nur für Trainees, sondern für alle gelten. Behalten Sie die Zeit im Auge, die Domino-Rezessionen klopfen an die Tür, man muss etwas tun. Die meisten Investmenthäuser und Großkonzerne sind überfüllt mit Leitungspersonal. Ex-Politiker, die sich einen Ruheposten im Aufsichtsrat, ohne geschäftliche Tätigkeit, gesichert haben, nutzlose geschäftsführende Direktoren, die sich im Netzwerk der Ehemaligen von einem goldenen Händedruck zum nächsten hangeln, von Headhuntern angeworbene intelligente Nachwuchskräfte, die die obligatorischen zwei Jahre bleiben und

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