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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihrem figurbetonten schwarzen U-Ausschnitt-Pullover, dezentem Make-up und kunstvoll nachlässig hochgestecktem Haar. Ihr Anblick tat ihm weh. »Schon wahr, Faulkners Form ist seit Quain etwas wechselhaft gewesen, aber das muss nicht heißen, dass sie schlecht ist. Ich habe ihn selbst verschiedentlich interviewt und weiß, dass er reine Brutalität nicht als Vorzug erachtet.«
    »Ganz anders als Mike Bryant.«
    »Nun, auch hier glaube ich, dass das zu vereinfacht gesehen ist. Mikes Form ist beständiger, konservativer, könnte man sagen, und, ja, er hat weiß Gott keine Angst, das Gaspedal durchzutreten, wenn es darauf ankommt. Aber er ist nicht aus dem gleichen Rowdyholz geschnitzt wie, sagen wir, ein Yeo von Mariner Sketch oder einige der importierten Fahrer, die aus Osteuropa zu uns gekommen sind. Das ist Brutalität als Standardeinstellung. Und davon ist ein Mike Bryant himmelweit entfernt.«
    »Sie kennen beide ziemlich gut.«
    Sie machte eine bescheidene Handbewegung. »Mike Bryant war eine der Hauptquellen für mein Buch Die neuen Asphaltkrieger. Und ich arbeite gegenwärtig an einem Fortsetzungsband, für den ich unter anderem auch Chris Faulkner befragt habe. Es ist mir unangenehm, so unverfroren Werbung zu machen, aber…«
    »Aber nein, ich bitte Sie.«
    Gekünsteltes Gelächter.
    »Nun denn. Es heißt Asphaltreflexionen – Hinter die Fahrermaske gesehen, und es sollte, falls meine andere Arbeit mich nicht allzu sehr in Anspruch nimmt, irgendwann um die Jahreswende herum erscheinen.« Sie grinste professionell in die Kamera. »Es wird eine spannende Lektüre, das verspreche ich.«
    »Da bin ich sicher.« Gesicht zur Kamera gewandt. Pause, und – neuer Einsatz. »Und jetzt wollen wir hinüberschalten zu unserer Live-Übertragungscrew am Hubschrauberdeck in Harlow. Sanjeev, können Sie mich hören?«
    »Laut und deutlich, Ron.« Das Nebenbild erschien. Vergrößerte sich, bis es den ganzen Bildschirm ausfüllte. Windgepeitschter Hintergrund, Rotoren und der Moderator vor Ort, der sich die zerzausten Haare aus den Augen streichen musste, während er sprach.
    »Wie ist denn das Wetter da draußen?«
    »Uh, sieht so aus, als würde der Regen vorerst ausbleiben, Ron. Später gibt’s vielleicht sogar Aussicht auf Sonnenschein, habe ich mir von den Wetterleuten sagen lassen.«
    »Also gute Bedingungen zum Fahren?«
    »Ja, so scheint es. Natürlich werden wir keine Möglichkeit haben, die Strecke einzusehen bis etwa zwanzig Minuten nach Ende des Duells, aber wir haben gehört, dass die Straße mehr oder weniger abgetrocknet sein soll. Und da auch die Sommerreparaturarbeiten auf diesem Abschnitt außerplanmäßig früh abgeschlossen werden konnten, dürfen wir uns auf…«
    Er schickte den Fernseher schlafen, trank seinen Kaffee aus und ließ die Espressotasse auf der Telefonanlage stehen. Kurzer existenzieller Schauder, als er sie ansah und sich klar machte, dass sie auch heute Abend noch dort stehen würde, unberührt, gleichgültig, was am Tage auf der Straße passiert war. Gleichgültig, wo sich ihr Besitzer dann befinden mochte.
    Er schüttelte das Frösteln ab und legte sich das Jackett um die Schultern. Vor dem Garderobenspiegel stehend, band er sich die Krawatte mit einer trägen, reibungslosen Ruhe, die vielleicht nichts anderes als verkleidete Panik war. Seine Hände, bemerkte er, zitterten leicht, aber er konnte nicht sagen, ob das von der Angst oder vom Koffein kam. Er hatte sich eine ziemlich starke Dosis verpasst.
    Fertig angekleidet, betrachtete er sich, sehr lange, wie ihm schien, im Spiegel, überzeugte sich davon, dass er Schlüssel und Brieftasche dabeihatte, und ging hinaus zum Auto. Er zog die Haustür zu und atmete durch, tief und heftig. Die in seine Lunge strömende Morgenluft war unbewegt und feucht.
    Kies knirschte zu seiner Linken.
    »Chris.«
    Er wirbelte herum, griff gleichzeitig ins Schulterhalfter. Die Nemex kam heraus.
    Truls Vasvik stand an der Hausecke, die Hände in Hüfthöhe gespreizt. Er lächelte ein wenig gezwungen.
    »Nicht schießen. Ich bin hier, um zu helfen.«
    Chris richtete die Mündung nach oben. »Dafür sind Sie ein bisschen spät dran.«
    »Überhaupt nicht. Dies ist, was man, glaube ich, Rettung in letzter Sekunde nennt.«
    »Yeah, sicher doch.« Chris stieß die Nemex ins Halfter zurück, doch wurde die schroffe Geste ein wenig dadurch verdorben, dass die Pistole nicht einrasten wollte. Er schob noch einige Male nach, dann ließ er die Sache auf sich beruhen.

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