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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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vertraut?«
    »Hör zu, Mike. Ich komm jetzt ins Büro. Wir reden über…«
    »Nein, tun wir nicht. Ich nehme mir heute einen halben Tag frei. Verbringe den Nachmittag mit Suki, was dich sicherlich erfreuen wird.«
    »Dann komm ich zu dir nach Hause.«
    »Komm an meine Tür, und ich schlage dir sämtliche Zähne aus.« Mikes Oberlippe zog sich von seiner eigenen Zahnreihe zurück. »Bleib einfach, wo du bist, und vögel Liz noch ein paarmal, solange du noch Gelegenheit dazu hast. Falls du ihn jetzt überhaupt noch hochkriegst, heißt das.«
    Chris rastete aus.
    »Ach, dann leck mich doch. Arschloch! Wir sehen uns auf der Straße!«
    Er schleuderte das Telefon durchs Zimmer. Es prallte gegen die Wand und polterte unbeschädigt zu Boden.
     
    Er machte noch einen weiteren Anruf. Zwei, um genau zu sein, aber als er das Haus in Hawkspur Green anklingelte, ging niemand ran. Er zuckte abgeklärt mit den Schultern und grub Erik Nyquists Nummer aus dem Telefonspeicher. Ölverlust in einem Frontalzusammenstoß. Es konnte schwerlich schlimmer werden als das, was er bereits hatte schlucken müssen.
    Der Norweger begegnete ihm unerwartet sanftmütig.
    »Sie ist nicht da, Chris«, sagte er. »Und, um ehrlich zu sein, selbst wenn, bezweifle ich, dass sie mit dir reden würde.«
    »Ist schon gut, ich äh, das kann ich verstehen. Ähm, weißt du, ob sie nach Hause gefahren ist? Ins Haus, meine ich. Ich hab’s dort versucht, nicht um mit ihr zu reden, nur um sie zu warnen, dass ich komme, meinte ich.« Sein eigenes Gestammel hörend, brach er ab. Er rieb sich übers Gesicht, froh, dass Eriks Telefon nicht für die Videofunktion ausgerüstet war. »Ich werde den Saab heute Nachmittag abholen. Ich wollte sie nicht überraschen, weißt du, falls sie, äh, mich nicht sehen will.«
    »Sie ist nicht zum Haus gefahren«, sagte Nyquist, und da wusste Chris, dass sie da war, vielleicht direkt neben ihrem Vater in dem beengten, feucht riechenden Flur, vielleicht auch in die Küche geflüchtet, um nicht mithören zu müssen.
    »Okay.« Er räusperte sich etwas aus dem Hals, was da nicht hingehörte. »Pass auf, Erik. Sag ihr… Wenn du sie siehst, meine ich, sag ihr, dass sie noch sechs Monate lang im Vereinigten Königreich wohnhaft bleiben muss. Sonst werden, äh, die Verfügungen meines Testaments ungültig. Also, die Aktienoptionen und die Hypothekenversicherung fürs Haus. Wenn sie nicht mehr da ist, zurück in Norwegen oder so, dann sackt Shorn alles ein. Also, äh, würde sich lohnen, wenn sie noch ein bisschen hier bleibt, weißt du.«
    Es herrschte ziemlich langes Schweigen, bevor Erik antwortete.
    »Ich werd’s ihr sagen«, erwiderte er.
    »Großartig.«
    Weiteres Schweigen. Keiner von beiden schien gewillt, den Hörer aufzulegen.
    »Du wirst also fahren?«, fragte Nyquist schließlich.
    Erleichtert stellte Chris fest, dass er noch ein Lachen zustande bekam. »Na ja, sagen wir, die Alternativen sind nicht so toll.«
    »Kannst du nicht weglaufen?«
    »Na, aber schäm dich, Erik. Weglaufen vor den verkommenen Konzernungeheuern des Conflict Investment?« Er wurde schlagartig wieder ernst, kämpfte gegen die hochkochende Furcht an. »Das ist ausgeschlossen, Erik. Ich bin registriert und werde überwacht. Das perverse System, über das du dich immer aufregst? Dieses System verschließt mir jede Bewegungsmöglichkeit. Meine Karten können gezielt ungültig gemacht werden, die Konzernpolizei überprüft Häfen und Flugplätze. Also, um es kurz und schmerzlos zu sagen: Wenn ich morgen nicht in mein Auto steige, bin ich ein ganz gewöhnlicher Krimineller und werde auf die Rollbahre geschnallt.«
    Nyquist druckste. »Kannst du ihn schlagen? Carla sagt…«
    »Ich weiß nicht, Erik. Sprich mich morgen Nachmittag noch mal drauf an, dann kann ich dir mehr sagen.«
    Der Norweger kicherte pflichtschuldig. Chris spürte, wie sein eigenes Gesicht das Echo aufnahm. Er war plötzlich so dankbar für die nicht feindselige Präsenz des Älteren in der Telefonleitung, dass ihm fast die Tränen kommen wollten. Die instinktive Solidarität unter Männern, der herausgekitzelte Mut der Verzweiflung. Er begriff plötzlich, wie sehr er es versäumt hatte, dasselbe für seinen Schwiegervater in dessen krisenhaften Lebensmomenten zu tun. Wie er den herausposaunten Wagemut des Norwegers, anstatt ihn als das zu erkennen, was er war, für bare Münze genommen, den in die Ecke Getriebenen noch zusätzlich niedergemacht und ihn abgeschrieben, seiner Misere

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