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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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zurückschreien, aber das tat er nicht. Er bewegte sich ganz behutsam, auf eine Art, wie sie sie manchmal bei Chris beobachtete, wenn irgendeine beim Fahren erlittene Verletzung ihn beeinträchtigte. So schob er sich also durchs Zimmer und nickte dabei vor sich hin, als sei ihr Schrei ein Schluck von einem rauen, aber interessanten Whisky gewesen. An der Art, wie er sich sammelte, erkannte sie, was als Nächstes kommen würde.
    »Normal?« Er sprach das Wort mit einer ausgesuchten Pedanterie aus, die fast die Bärbeißigkeit verbarg, die sich in seine Stimme zurückgeschlichen hatte. »Nun, ich denke, im Kontext des soeben gesehenen Gemetzels, verübt von dem Mann, mit dem du dein Bett teilst…«
    »Dad, bitte…«
    Seine Stimme dröhnte über ihre hinweg. »… würde ich es normal nennen, in der Tat. Ja, ich würde es sogar als vergleichsweise gesund bezeichnen. Ein verbranntes Möbelstück kann jederzeit ersetzt werden. Bei verbranntem Fleisch ist das schon schwieriger.«
    Sie atmete tief und bewusst, versuchte die Beklemmung in ihrer Brust zu lösen. »Hör zu, Dad, ich werde nicht…«
    »Natürlich dürfen wir dabei nicht die Doppelmoral aus den Augen verlieren. Verbrechen ist, wie Mazeau es ausgedrückt hätte, eine Frage des Grades, und der Grad, auf den es in den Augen der Gesellschaft wirklich ankommt, das ist der Grad, in dem der Kriminelle sich über den ihm zugewiesenen gesellschaftlichen Status erhoben hat…«
    »Oh, was für ein Blödsinn, Dad!«
    Aber die Wut hatte sie verlassen, sie fühlte nichts mehr außer den Tränen, die sich in ihr anstauten. Sie hielt sich mit unbeholfenen, elf Jahre alten Händen an ihrem Glas fest und sah zu, wie ihr Vater sich zurückzog, sich einwickelte in die Gazebinden der politischen Rhetorik, um den Schmerz zu verbergen.
    »Die Söhne und Töchter der Mächtigen kaufen und verkaufen Drogen untereinander und gehen dabei straflos aus, denn sie haben ja nur die Freiheit, die ihnen per Klassenstatus zukommt, ein wenig strapaziert, haben die Lippenbekenntnisse zu Recht und Gesetz, die immer mal wieder abgeleistet werden müssen, damit die Herde des gewöhnlichen Volkes weiter friedlich grast, nicht ganz ernst genug genommen. Aber wehe, es betritt ein Kind aus dem Brundtland ihr Märchenland und tut das Gleiche, dann wird das Gesetz mit seinem ganzen Gewicht auf es niederkommen, denn es hat sich etwas angemaßt, was ihm nicht zusteht. Und das können wir nicht zulassen.«
    »Dad«, versuchte sie es noch einmal, mit leiser und dringlicher Stimme. »Bitte, Dad, schau noch mal da runter. Denk nicht dran, wer Schuld an allem hat. Denk einmal nicht an die politischen Hintergründe. Aber glaubst du wirklich, dass die da unten irgendeinen Scheiß darauf geben, was du schreibst? Glaubst du ernsthaft, es gibt noch irgendwas, das denen nicht vollkommen scheißegal ist?«
    »Ach, und bei meinem Schwiegersohn ist das anders?« Er drehte sich nicht zum Fenster um, aber seine Augen waren hell vom Widerschein des Feuers. »Chris sind die Leichen, die er heute auf der Straße gelassen hat, nicht vollkommen scheißegal? Oder die Leichen, die sich in einem Jahr in den Straßen von Phnom Penh stapeln werden? Weißt du, was ich mir gewünscht hätte, Carla? Ich wünschte, du hättest einen von diesen Koksdealern geheiratet statt dieses Stück Scheiße im Anzug, mit dem du ins Bett gehst. Für den Dealer kann ich immerhin noch Entschuldigungen finden.«
    »Na toll, Dad.« Die beleidigenden Worte über Chris hatten ihr die Wut zurückgegeben. Die Fähigkeit zu verletzen. Sie sprach mit kalter Ruhe. »Hast du dich also endlich getraut, es mir ins Gesicht zu sagen. Der Mann, der deine Miete bezahlt und dir letzte Weihnachten eine neue Küche gekauft hat, ist ein Stück Scheiße. Und was ich dann bin, dürfte wohl auch klar sein.«
    Sie stellte ihr Glas auf den Couchtisch und ging zur Tür. Sie sah, wie er unwillkürlich den Arm nach ihr ausstreckte, als sie an ihm vorbeikam, aber sie verschloss sich jeder Geste.
    »Wo willst du hin?«
    »Ich packe meine Tasche, Dad. Und dann gehe ich nach Hause, falls ich nicht auf dem Weg von einem deiner unterdrückten Proletarier vergewaltigt und ausgeraubt werde.«
    »Ich dachte, du wolltest nicht allein in euerm Haus sein.«
    Er sagte es schmollend, aber in seiner Stimme gab es bereits Untertöne von Furcht und Bedauern. Bestürzt registrierte sie, dass genau das es war, worauf sie es angelegt hatte. Sie konnte fühlen, wie die Genugtuung in ihr

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