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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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lauten Bilder der Passage waren verblichen wie alte Fotografien. Sie konnte sich keins der Gesichter mehr in Erinnerung rufen. Da war ein hochgewachsener, alter Mann, der sich auf einen Stock stützte. Von seinem Bild ging eine große Kraft aus. Das war ihr Großvater. Es war seltsam, sich plötzlich an jemanden zu erinnern. Ash schauderte. »Als ob jemand über mein Grab geht«, sagte sie laut. Ravi sah sie fragend an. Ash stocherte weiter in ihren Erinnerungen herum. Das schärfste, konturierteste, farbkräftigste Bild war das des schwarzen Engels. Sein ernstes, trauriges, verwirrend schönes Antlitz schien sich in ihre Netzhaut gebrannt zu haben.
    »Erzähle mir, was du über Luzifer weißt«, forderte sie.
    Ravi wurde blass unter seiner dunklen Haut. Er biss sich auf die Lippe. Dann nickte er und holte tief Luft. »Ich muss dieses Zeug aus dem Kopf kriegen«, sagte er grimmig. »Ash, du kannst dir nicht vorstellen, was die dort drüben mit einem anstellen, damit man pariert und funktioniert!«
    Jetzt war es Ash, die an seine Seite rückte und ihm den Arm um die Schultern legte. »Ich kann es mir nicht vorstellen, da hast du recht. Aber ich weiß, dass du eigentlich ganz anders bist als dieser verschreckte, brave Engel, den du jetzt darstellst. Ich hätte mich sonst niemals in dich verliebt, zu unseren Lebzeiten.«
    Ravi sah sie mit großen Augen an. Ash erwiderte den Blick finster. Was trieb sie, solche Reden zu halten? Sie wollte nichts von dem jungen Engel. Er war einfach nicht ihr Typ.
    Ravi nickte und lächelte schief. »Danke«, sagte er. Dann räusperte er sich. »Der Abtrünnige. Lu… Luzifer.«
    Er kämpfte mit sich. Seine Kiefermuskeln mahlten. Ash sah das Zucken seiner Finger. Er musste den Impuls niederkämpfen, sich zu bekreuzigen. Ash legte ihre Hand auf seine Finger und drückte sie ermunternd.
    »Luzifer, der Lichtträger«, wiederholte er sicherer. »Er war der Anführer einer Revolte. Gegen JHWH. Den HErrn.«
    Ash nickte langsam. Sie kannte sich in der Mythologie der Zentrale und des Hauptquartiers nicht besonders gut aus – nicht so gut wie in den Verwicklungen und Verästelungen rund um die nordische Götterfamilie. Aber sie erinnerte sich schwach, dass eine Gruppe von Engeln rebelliert hatte – warum auch immer – und deshalb aus der Gemeinschaft entfernt wurde.
    »Luzifer war also der Anführer«, sagte sie. »Wie seltsam. Du hast ihn den ›Lichtträger‹ genannt, das klingt doch sehr freundlich.«
    Ravi legte den Kopf an die Wand und atmete schwer. Ash konnte sehen, wie sein Adamsapfel sich bewegte, weil er schlucken musste. »Sei nicht böse«, flüsterte er. »Mir ist schrecklich übel. Gib mir etwas Zeit.«
    Ash drückte seine Hand und wartete geduldig.
    Ravi seufzte und fuhr fort: »Er war die rechte Hand des HErrn. Sein Vertrauter, sein Freund, sein erwählter Gefährte. Er hat die Geschäfte des Himmels geleitet. Sein Verrat war entsetzlich, er hat das Gefüge des Hauptquartiers erschüttert, als hätte jemand unter dem Thron des HErrn eine Sprengladung gezündet.«
    Ash lachte. »Er klingt nach einem interessanten Burschen. Was wollte er? Den Laden übernehmen?«
    Ravi wagte ein zittriges Lächeln. Sein Blick war gehetzt, als erwarte er jeden Moment ein himmlisches Donnerwetter. »Er wollte Reformen«, flüsterte er. »Das Hauptquartier war ihm zu autoritär, zu militärisch organisiert. Er hat … er verlangte …« Ravi schluckte und nahm einen zweiten Anlauf: »Er hat Mitspracherecht für alle Engel verlangt. Eine Selbstverwaltung. Die Auflösung der Himmlischen Heerscharen.«
    Ash schüttelte den Kopf. »Kann mir vorstellen, dass ihm das das Genick gebrochen hat«, sagte sie. »Und, was hat man mit ihm gemacht? Annulliert?«
    Ravi wischte sich über die Stirn. »Es wird besser«, sagte er. »Das scheint eine gute Therapie zu sein, laut über das ›Böse Geheimnis‹, den ›Schwarzen Schandfleck‹ zu sprechen.« Er grinste. »Ja, er sollte exekutiert werden. Aber er hatte Fürsprecher von ansonsten untadeligem Ruf, die sich für ihn eingesetzt haben. Metatron war einer seiner Freunde. Sie haben die Verbannung für ihn erwirkt.«
    »Auch nicht schön.« Ash war voller Mitgefühl. »Und, wo treibt er sich jetzt herum? Er wäre doch eigentlich der geeignete Kandidat für Alphas Posten gewesen.«
    Ravi seufzte und streckte die Beine lang aus. »Ah, das Kribbeln ist weg. Ja, ich habe gehört, dass er ein paar Äonen lang die Zentrale geleitet hat. Dann hat er sich hier aber

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