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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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konnte immer noch die Energie der neun Welten anzapfen und sich damit von Tag zu Tag, Monat zu Monat, Jahrhundert zu Jahrhundert retten. Auch er wurde stetig schwächer, aber sein Leben war mit Yggdrasils Wurzeln verknüpft. Odins Existenz würde erst mit dem Fall der Weltesche enden.
    In der Dunkelheit des Zimmers schimmerte die Feuersglut, die über ihre Arme und ihre Brust waberte, in einem tiefen, dunkelroten Ton. Wann hatte sie das erste Mal bemerkt, dass sie das Feuer bändigen konnte? Loki musste ihr diese Fähigkeit verliehen haben, ohne dass er selbst das gewusst oder beabsichtigt hatte.
    Ihre Gedanken reisten zurück in die Vergangenheit. Sie hatten eine lange Trennung hinter sich. Eins ihrer Leben hatte abrupt geendet, ein Kampf, ein Unfall – sie wusste es nicht mehr. Danach hatte Loki sie nicht wiedergefunden. Er war durch die neun Welten geirrt wie ein Verdurstender auf der Suche nach einer Quelle, mit steigender Verzweiflung und getrieben von der Angst, sie endgültig verloren zu haben.
    Odin hatte sie aus Hels Reich zurückgeholt, und wie immer, wenn das geschah, war sie nur mit dem an Erinnerungen ausgestattet, was Odin für sie verwahrte. Loki kam darin nicht vor. Die meisten ihrer Erfahrungen als erwachsene Frau fehlten. Es war ein unbefriedigender, beklemmender Zustand, der sie nervös und reizbar machte. Sie blieb nie lange bei ihrem Großvater, es zog sie hinaus, damit sie wieder vollständig werden konnte.
    Als Loki sie schließlich fand, war er dem Tode so nah wie ... Ash schreckte vor dem Gedanken zurück. Wie jetzt? Nein, das jetzt war weitaus ernster. Sie hatte ihn noch nie zuvor so schwach, so entkräftet erlebt. Vielleicht lag es daran, dass sein Bruder ihn verflucht hatte – so hatte er es genannt. Wie mochte es sich anfühlen, wenn der Allvater, der Herr über das Asengeschlecht einen der Seinen verstieß? Ash schauderte. Wahrscheinlich war dies der wahre Grund für Lokis Zustand.
    Sie riss ihre Gedanken von dem angsteinflößenden Bild eines wutentbrannten, zornigen Göttervaters los und konzentrierte sich wieder darauf, die Energie weiter fließen zu lassen. Lokis Körper in ihren Armen begann sich zu erwärmen. Ash schloss die Augen. Morgen mussten sie ausgeruht und wach sein. Und übermorgen dann – Ragnarök. Armageddon. Der Weltenbrand. Das Ende. Endlich das Ende.

6
    Den Ger warf Odin ins Gegnerheer:
der erste Krieg kam in die Welt
    D as fahle Licht des frühen Morgens filterte durch die Vorhänge, als ein Diener den Wagen mit ihrem Frühstück hereinschob. Ihm auf dem Fuße folgte Ravi, der erstaunlich munter wirkte.
    Ash, die zum ersten Mal seit ihrem Tod ein heißes Schaumbad genoss, hörte den jungen Engel in gedämpftem Ton »Guten Morgen« zu Loki sagen. Der Feuergott, den sie aufrecht sitzend im Bett wusste, gegen seine Kissen gelehnt und in deutlich besserem Zustand als am Abend zuvor, erwiderte den Gruß und setzte nach einer Pause hinzu: »Falls du Ash suchst, sie badet.«
    Ash kicherte leise. Das beredte Schweigen im Zimmer erzählte ihr deutlich, was in Ravi nun vor sich ging.
    »Ist es dir egal?«, fragte der Junge verblüfft.
    Loki fragte mit trügerisch sanfter Stimme, in der eine leise Drohung mitschwang, zurück: »Was sollte mich denn stören?«
    Ash biss sich auf die Lippen, um nicht laut zu lachen. Sie wusste, welches Gesicht er jetzt machte: ein listiges, undurchschaubares Fuchsgesicht.
    Sie tauchte unter, um sich die Seife aus den Haaren zu spülen. Welche Erleichterung hatte sie bei ihrem Erwachen durchströmt, als sie Loki tief schlafend und ruhig atmend neben sich sah. Die Eiseskälte war aus seinen Gliedern gewichen und er sah wieder aus wie ein gesunder, kräftiger Mann in den besten Jahren.
    Sie tauchte auf und schüttelte das Wasser aus den Haaren und den Ohren.
    »… hätte ganz sicher den besseren Grund, mich zu beklagen«, sagte Ravi draußen. »Ich habe mit Ash geschlafen und du hast uns dafür umgebracht. Aber meinetwegen sind wir quitt.«
    Ash erstarrte. Die Seife glitt ihr aus der Hand und plumpste ins Wasser. Sie schloss die Augen und erinnerte sich an den Unfall. An die plötzlich auftauchende Nebelbank und die spiegelglatte Fahrbahn. An den Reifriesen, der den Weg des Motorrads kreuzte. Seinen Blick, der sie traf. Den Schrecken in seinen Augen.
    Sie holte tief Luft, zischte wie eine wütende Schlange, schlug mit der flachen Hand aufs Wasser, dass es aus der Wanne spritzte. Dellinger. Diesem machtgierigen Idioten wäre es mit seinem

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