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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ja gar nicht von schmerzlichen Erinnerungen trennen? Warum darf ich nicht selbst entscheiden, was ich behalten will und was nicht?«
    »Der Verwaltungsaufwand«, sagte Ravi.
    Macnamara nickte. »Das wäre nicht machbar, Ash. Ich habe zwei Dekaden lang in Abteilung Delete gearbeitet. Das ist Akkordarbeit. Wir arbeiten in vier Schichten, aber wir kommen kaum nach. Wissen Sie, wie viele Existenzen in jeder Sekunde im Limbus eintreffen?«
    Ash knurrte leise. »Was geschieht mit den Erinnerungen?«, fragte sie. »Werden sie auch annulliert?« Sie schauderte.
    Macnamara schüttelte entsetzt den Kopf. »Das würde binnen kürzester Zeit das Universum auslöschen. Nein, die Löschung geschieht nur in der lokalen Hardware. Die Informationen werden allesamt verwahrt. Die wichtigsten Daten ruhen in Archiven wie diesem hier, und Azrael ist der Hüter der gesammelten persönlichen Erinnerungen.«
    Azrael. Ash kannte diesen Namen. Sie warf Ravi einen Blick zu. Der Engel sah nachdenklich aus. »Das ist der Riese, der im Limbus dieses große Buch in der Hand hält, oder?«
    Ash schloss die Augen. Das Bild, das unaufgefordert vor ihren Augen auftauchte, war das einer gigantischen, nackten Gestalt, die in Wirklichkeit ein Baum war. Und an diesem Baum hing etwas. Jemand.
    Ash stöhnte leise und öffnete die Augen wieder. »Baum«, sagte sie. »Es ist kein Riese. Es ist ein riesengroßer Baum.«
    »Oh, Sie beschäftigen sich mit Geschichte«, sagte der Major erfreut. »Wie ungewöhnlich. Sind Sie in der letzten Zeit vielleicht auch dem Allvater begegnet?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern plauderte weiter: »Die Weltesche, Yggdrasil, Fraxinus Axis Mundi. Ein wunderbares Symbol für eine überschaubare Weltsicht. Neun Welten, die allesamt durch diesen Riesenbaum zusammengehalten werden. Heutzutage würde man dazu einen ganzen Wald benötigen.« Er lachte und streckte die langen Arme über den Kopf. »Ich werde nun der Einladung unseres lieben Freundes folgen und herausfinden, wo sie die wirklich wichtigen Unterlagen versteckt haben. Mein Junge, du kannst tun und lassen, was du willst. Wir treffen uns in drei Stunden in unserem gemütlichen Büro und besprechen das weitere Vorgehen. Möchtest du dich ein wenig umsehen?« Er klimperte mit dem Schlüsselbund.
    »Danke, aber ich bleibe hier«, murmelte der Engel, der müde aussah. »Es ist nicht ganz so trostlos und dreckig wie der Rest der Zentrale.«
    Ash schnaubte. »Na, wir sind aber verwöhnt«, sagte sie und lächelte dann Macnamara an. »Ich sehe Sie dann in drei Stunden in Ihrem Büro.«
    Sie blieb noch einen Augenblick sitzen, um ihren Kaffee auszutrinken und sah dem Major hinterher, der sich erstaunlich geschmeidig für seine Größe durch das Gedränge der Tische, Stühle und Bänke schlängelte. »Du hast Glück mit deinem Vorgesetzten«, sagte sie. »Es muss ein Vergnügen sein, mit ihm zu arbeiten.«
    Der Engel zuckte die Schultern. »Ich hab ihn mir nicht ausgesucht. Aber er ist in Ordnung.« Seine Stimme und die verschlossene Miene signalisierten sehr deutlich: Lass mich in Frieden.
    Ash verzog das Gesicht. Arroganter Kerl. Hielt sich wahrscheinlich für was Besseres, weil er für den PLAN arbeitete. »Na, dann«, sagte sie kühl. »Wir sehen uns.«
    Sie verließ die Kantine und ging mit schnellen Schritten zum Aufzug. Jetzt war die Gelegenheit günstig. Der Major war beschäftigt und der Engel nicht im Weg.
    Sie fuhr fünf Geschosse tief mit dem Lift hinab, dann nahm sie die Treppe und kürzte den Rest der Strecke durch die Lagerräume Grün ab. Wenig später stand sie vor der Tür des Archivs, schloss sie auf und zog sie leise hinter sich wieder zu. Einen Augenblick lang dachte sie darüber nach, abzuschließen, aber dann verwarf sie den Gedanken. Wer sollte sich schon hierher verirren?
    Sie ging an den Aktenstapeln vorbei, die sie mit den beiden Beauftragten aufgehäuft hatte, und sah sich nachdenklich um. Diesen Gang hatten sie so gut wie fertig. Wenn diese Seite des Archivs die Neuzugänge der vorletzten Dekade beherbergte, dann mussten auf der anderen Seite die neueren Akten lagern.
    Sie strich durch die Regalgänge und nahm hier und da eine Stichprobe vor. Welchem Ordnungsprinzip unterlag dieses Archiv? Sie konnte kein Muster in der Ablage erkennen. Ash schnalzte ungeduldig mit der Zunge. Sie würde sich ja noch einige Zeit hier aufhalten, wenn auch in der Gesellschaft der beiden anderen. Mit ein bisschen Glück würde sie finden, was sie suchte, und es

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