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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Bitte.« Seine riesige, eiskalte Hand bedeckte ihren halben Rücken, streichelte sie wie eine kleine Katze.
    »Ich verspreche es dir«, sagte Ash und schauderte heftiger.
    Das riesige Gesicht lächelte. »Und hol dir jemanden, der dich wärmt«, sagte die tiefe Stimme. Sie fühlte die Vibration der Worte mehr, als sie zu hören. »Gonzalo. Oder den kleinen Engel.«
    Ash gab dem Riesen einen festen Klaps. Ihre Hand brannte, als hätte sie einen Felsen geschlagen. »Sorge dich nicht um mich«, sagte sie. »Schlaf, Eldur.«
    Seine Augenlider schlossen sich langsam bis auf einen kleinen Schlitz, aus dem es fahlgelb leuchtete. Ash lauschte auf den langsamen tiefen Atem, zitterte vor Kälte und glitt in einen tiefen, betäubten Schlaf.
    Sie erwacht, weil ganz in der Nähe ein Wolf heult. Etwas bewegt sich raschelnd im Nebel. Ash setzt sich auf, sieht sich um. Sie sitzt auf einem glatten, lang gestreckten Felsen, der mit Moos, vertrocknetem Gras und Flechten bewachsen ist. Rundum im Nebel liegen seltsam geformte Findlinge verstreut, dazwischen ragen wie Säulen in einer seltsamen Kathedrale hohe, glatte Stämme empor. Die Kronen der Bäume verschwinden im lichten Nebel und zwischen den Stämmen ziehen Nebelschwaden über den dunklen, bemoosten Boden. Es ist kalt. Ash zieht schaudernd den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn empor und schlingt die Arme um sich. So kalt.
    Das Heulen des Wolfes kommt näher. Sie glaubt, seinen Schatten im Nebel zwischen den Bäumen auftauchen und verschwinden zu sehen. Ist es wirklich ein Wolf? Dann muss es der größte Wolf sein, den die Welt je gesehen hat. So groß wie ein Möbelwagen. Aber der Nebel verzerrt die Proportionen. Wie hoch sind diese Bäume? Ihre Stämme sind glatt und glänzend, von einem grünlichen Braun. Die ersten Äste sitzen sehr weit oben. Ash legt den Kopf in den Nacken. Das sind verdammt hohe Bäume. Und der Rücken des Wolfes, dessen Silhouette gerade wieder ein Stück entfernt auftaucht, streift beinahe die unteren Äste. Kein Möbelwagen. Ein Haus. Das ist ein hausgroßer Wolf in einem Wald voller Riesenbäume. Und die Felsen, die rundum verstreut liegen, sind die Riesen selbst. Versteinert und moosbewachsen, mit Flechten bedeckt und hier und da mit den Schößlingen der Riesenbäume bewachsen.
    Ash steht auf und dreht sich um die eigene Achse. Die Erde bebt, als das grauzottige Wolfswesen vorbeischnürt.
    Die Erde bebt wirklich. Der Felsen, auf dem sie steht, hebt und senkt sich in einem langsamen Rhythmus. Wie Atemzüge. Ash sinkt langsam in die Knie und betastet den Stein. Es ist wirklich Stein. Sie sieht die Adern darin, die kleinen Sprünge, die Wasser und Frost hervorgerufen haben. Aber ihre Finger ertasten auch noch etwas anderes, weniger Steinhaftes. Fast so etwas wie lebendes, wenn auch eiskaltes Fleisch.
    Der Felsen stöhnt. Tief, beinahe schon unterhalb der Schwelle, die ein Menschenohr noch vernehmen kann. »Geh«, stöhnt der Findling. »Ash, geh zurück. Du darfst hier nicht bleiben.«
    »Eldur«, sagt sie, denn obwohl die Stimme des Felsens so tief und langsam ist, als spräche die Erde selbst zu ihr, erkennt sie doch seine Art zu sprechen. »Eldur, wo sind wir?«
    »Jötunheim, Eisriesenland«, spürt sie seine Antwort. »Du kannst hier nicht bleiben. Du wirst sterben.«
    Ash zittert vor Kälte, aber sie lacht. »Was soll mir passieren? Ich bin doch schon tot.«
    Ein langes Schweigen, dann seine kaum verständliche Antwort: »Weniger als du denkst.«
    Der Felsen schweigt und liegt still. Das Heulen des Riesenwolfs zerreißt den Nebel und sie kann ihn zum ersten Mal deutlich sehen. Er ist grau und zottig, sein Atem dampft wie ein Geysir. Seine Augen glühen nicht gelb, sondern dunkelrot, und aus seinem Rachen steigen Flammen. Eine zerrissene Schnur hängt um seine knochigen Schultern und schlingt sich um eins seiner Beine. Der Wolf sieht sie an, er hebt die Schnauze zum Himmel und heult, und sein Heulen ist so laut, dass die Erde bebt.
    Ash schlägt die Hände vor die Ohren, sie birgt ihren Kopf, kauert sich zusammen, schreit vor Schmerz. Das Wolfsgeheul kommt näher, wird lauter, so laut, dass es ihr die Besinnung raubt. Sie fällt in eine Dunkelheit, die eisig ist und voller Nebel und darin wandelnder riesiger Gestalten.

6
    Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund
und eine große Kette in seiner Hand.
    » F raxinus bitte Eins/Schwarz«.
    Ash schüttelte heftig den Kopf und rieb sich übers Ohr.

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