Projekt Atlantis
sich in seinem Leben geändert hatte. In manchen Augenblicken, wenn er die Erlebnisse der letzten Jahre rekapitulierte, schien er kurz davor, die Lösung mit den Händen greifen zu können. Aber stets entzog sie sich ihm, wie die Erinnerung an einen Traum.
»Hier ist es!«
Peter stieß fast mit dem Franzosen zusammen, als dieser plötzlich stehen blieb. Der Gang hatte sich zu einem Vorraum erweitert. Er war nahezu schmucklos bis auf zwei Figuren, die die Wand direkt vor ihnen zierten. Yves ließ den Schein der Taschenlampe darübergleiten. Die Malereien waren in großen Teilen bereits gemeinsam mit dem weißen Putz abgebröckelt, aber sie waren noch gut zu erkennen. Peter identifizierte sie als ägyptische Götter. Rechts stand Thot, mit Schreibutensilien in den Händen, und links war Anubis zu sehen, der Wächter des Totenreichs.
»Dem Stil nach ist es ptolemäisch«, bemerkte Peter. »Es imitiert eine altägyptische Wandmalerei. Aber der griechische Einschlag ist deutlich zu erkennen.«
»Sehr treffend beobachtet!«, sagte Yves. »Und hinter dieser Wand befindet sich eine Kammer.« Er betätigte einen Fußschalter, und zwei Kaltlicht-Scheinwerfer auf Stativen leuchteten auf. In einer Ecke des Raums war eine Videokamera aufgebaut. Sämtliche Kabel liefen über den Boden und durch den Gang zum Ausgang. Sie waren Peter anfangs gar nicht aufgefallen. Für einen Moment fühlte er sich in die mysteriöse Höhle in Südfrankreich zurückversetzt, die er gemeinsam mit Patrick untersucht hatte. Es war merkwürdig: Sosehr er sich in seinem Leben und seiner Arbeit mit der Geschichte, den Entdeckungen und Theorien anderer auseinandergesetzt hatte, warfen ihn die Erlebnisse der letzten Jahre immer häufiger auf ihn selbst zurück. Er war auf der Suche nach Wissen gewesen, nach der Wahrheit, den Ursprüngen. Aber neben allen Verbindungen von Kulturen, Religionen und Weisheiten aus alter Zeit, die er aufdeckte, durch diese Entmystifizierung entging ihm ein wesentlicher Teil der Erkenntnis über sich selbst. Er nahm sich vor, diesem Aspekt künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
»Wir haben die Wand ausführlich untersucht«, erklärte der Franzose gerade. »Daher konnten wir uns eine gute Vorstellung davon machen, wie es dahinter aussieht. Es ist ein Hohlraum von rund fünfzig Kubikmetern. Zuerst haben wir feine Löcher gebohrt und Luftproben genommen, die wir mikrobiologisch analysiert haben.«
»Um giftige Pilzsporen oder andere Verunreinigungen auszuschließen?«
»Ganz genau. Und natürlich haben wir auch Temperatur, Feuchtigkeit und alle möglichen Isotope gemessen. Details können Ihnen unsere Techniker besser erklären, aber herausgekommen ist, dass die Kammer tatsächlich seit rund zweitausend Jahren nicht geöffnet wurde.«
»Dann kann man Sie nur beglückwünschen!«
»Wir waren sehr aufgeregt, als wir die Ergebnisse vorliegen hatten«, bestätigte Yves. »Zu diesem Zeitpunkt haben wir Sie eingeladen. In den folgenden Tagen wurde eine winzige endoskopische Kamera durch ein Bohrloch geführt, und wir konnten Bilder der Kammer machen. Und sehen Sie dort?« Er trat näher an die Wand und deutete auf eine Rille. »Wir haben die Wand bereits mit einer Steinsäge durchtrennt. Es war eine langwierige Arbeit, weil wir sehr präzise vorgehen mussten. Aber nun sind wir in der Lage, diesen ganzen Block aus der Wand zu entfernen.«
Einige Mitarbeiter des Grabungsteams kamen in den Raum. Sie schoben einen schmalen hydraulischen Hubwagen vor sich her, dessen Höhe sie so verstellten, dass seine Ladefläche auf einer Ebene mit der Unterkante des in den Fels geschnittenen Quaders lag. Während eine Mitarbeiterin die Videokamera in Betrieb nahm, befestigten zwei andere stabile Griffe mit je einem Paar überdimensionaler Saugnäpfe an der Steinwand. Sie waren an einen Kompressor angeschlossen, um offenbar einen Unterdruck zu erzeugen.
Die Maschine brummte, und als nach einiger Zeit die Ventile zischten und der notwendige Druck erreicht war, zogen die Assistenten den Steinblock Millimeter für Millimeter heraus. Es dauerte mehrere Minuten, bis er frei war. Behutsam deponierten sie ihn auf dem Rollwagen. Dann zogen sie das Gefährt beiseite und ließen Yves und Peter den Vortritt.
Dicht gefolgt von der Frau mit der Kamera, die ihr Gerät inzwischen geschultert hatte, sahen sie durch das entstandene Loch in die Kammer.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, während sie die mit strahlend hellem, milchigem Stein
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