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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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sah ihn nur eine Weile schweigend an.
    »Nun, ich weiß«, fuhr der Präsident daher fort, »es klingt provokant, wenn nicht haarsträubend...«
    »So neu ist die These gar nicht«, unterbrach ihn der Graf mit ruhiger Stimme.
    »Wie meinen Sie das? Sie wissen davon?«
    »Sie machte hauptsächlich in den achtziger Jahren von sich reden. Und vor kurzem erst hat ein Amerikaner einen Thriller zu diesem Thema geschrieben. Es erstaunt mich, nun im Zusammenhang mit Jean-Baptiste Laroche erneut davon zu hören.«
    »Was wissen Sie darüber?«
    Der Graf lehnte sich zurück und betrachtete den See. »Es scheint in der Tat Hinweise zu geben, die die Merowinger in direkte Verbindung mit Jesus Christus bringen. Einige davon sind sicherlich fragwürdig, andere allerdings unwiderlegbar. Außerdem gibt es Belege, die bislang nicht veröffentlicht wurden und die diese Theorie deutlich untermauern könnten.«
    »Dann ist es also wahr?« Michaut sah den Grafen mit geweiteten Augen an. Er hatte mit Unverständnis gerechnet, bestenfalls Zurückhaltung, aber er hatte nicht erwartet, dass der Graf auch in dieser Angelegenheit informiert war. »Ist Laroche mit Jesus verwandt?«
    Nun war es an der Zeit für den Grafen, ein feines Lächeln zu zeigen. Er wirkte belustigt, dabei aber nicht überheblich, sondern verständnisvoll. »Was, wenn er es wäre?«, fragte er.
    »Wenn er wirklich mit Jesus verwandt wäre, fragen Sie? Wenn in ihm tatsächlich das Blut Christi flösse?«
    »Sie wirken beunruhigt und ergriffen zugleich«, bemerkte der Graf.
    »Selbstverständlich bin ich beunruhigt! Stellen Sie sich die weltweite Aufregung vor: Der letzte Verwandte von Jesus Christus ist gefunden worden – das Blut des Erlösers ist unter uns. Jeder auf der Welt würde ihn ehren, die Kirchen würden ihm zu Füßen liegen. Dieser Mensch würde die Welt regieren,«
    »Warum sollte er? Wenn er doch nur ein Mensch ist?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »War nicht Jesus sowohl Mensch als auch Gott zugleich? Fand seine Göttlichkeit nicht Ausdruck darin, dass er die Sünden der Menschen auf sich nahm, für sie starb und am dritten Tage wieder auferstand?«
    »Ich bin kein sonderlich religiöser Mensch...«, wandte der Präsident ein.
    Der Graf nickte entgegenkommend. »Nun, hierin liegt jedenfalls die religiöse Bedeutung der Figur Christi. Nicht in seinem Leben, seinen Jüngern, seiner Bergpredigt – Wunder und Weisheiten dieser Art wurden vor ihm und nach ihm von Propheten auf der ganzen Welt bekannt. Und wenngleich Weihnachten als das Fest seiner Geburt weltweit am meisten Beachtung findet, so ist es doch ein ursprünglich heidnisches Fest, umgedeutet und assimiliert, wie so vieles. Tatsächlich ist Ostern das wichtigste Fest des Christentums, und das feiert Jesu Auferstehung. Allein hierin liegt die ganze Bedeutung und die göttliche Macht des Messias. Dass Jesus gleichzeitig auch Mensch war, ermöglicht es, sich mit ihm zu identifizieren, und es macht deutlich, wie Jesus die Belange, Sorgen, Zweifel und Nöte der Menschen kennen konnte. Aber auf dieser menschlichen Ebene war Jesus ein Wanderprediger, wenn Sie so wollen. Möglicherweise Angehöriger der Essenersekte – falls das einen Unterschied machen sollte. Aber diese menschliche Seite hat keine Macht, sondern das Göttliche in ihm. Was, wenn er tatsächlich einen Bruder gehabt hätte, oder einen Sohn, wie es andere Thesen behaupten? Wären diese ebenfalls zugleich Gott gewesen? Nein. Hätten sie die Menschen erlösen und von den Toten auferstehen können? Nein. Daher wäre eine Abstammung von Jesus zugegebenermaßen faszinierend, aber dennoch ohne jeden religiösen Machtanspruch.«
    »Was Sie sagen, klingt nachvollziehbar«, sagte Michaut, »aber wie viele Menschen werden das ebenfalls so sehen? Wird nicht jedermann auf die Knie fallen vor ihm, der großartigsten und einzig lebenden Reliquie, wenn Sie so wollen? Wenn die katholische Kirche sogar Maria verehrt, die ja mit der so wichtigen Auferstehung und der Erlösung der Menschen, wie Sie darlegen, überhaupt nichts zu tun hat, wird sie da nicht einen heute lebenden Verwandten von Jesus ebenfalls heiligen?«
    »Eher würde die Bibel neu geschrieben werden. Stellen Sie sich vor: Die Kluft zwischen den progressiven und den fundamentalistischen Kräften in der Kirche würde aufreißen, es würde die katholische Kirche erschüttern und zerreißen. Ein neues Schisma wäre die Folge. Denken Sie, sie könnte sich das erlauben? Der Katholizismus, die Kirche, der

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