Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
Zwiebeln und Knoblauch lag in der Luft.
»Das riecht aber nicht nach gegrilltem Hühnchen«, sagte Jet und runzelte die Stirn, weil ihr trotzdem das Wasser im Mund zusammenlief.
»Heute nicht.« In seinen Augen blitzte Heiterkeit auf.
Ihre dagegen wurden zu schmalen Schlitzen. Also, das war ziemlich dreist von ihm. Endlich hatte sie ein Gefühl, das sie verstand und an dem sie sich festhalten konnte: Verärgerung. Viel besser als diese verwirrende Erregung, die Bruce in ihr auslöste. Ja, sie würde verärgert sein, würde ihn zurechtweisen (natürlich auf höfliche Art). Und sie würde die kleinen Funken, die er gerade in ihrem Blut entfacht hatte, austreten, bevor sie sich zu einem ausgewachsenen Feuer entwickeln konnten. Helden hatten keine Zeit für romantische Flirts mit Zivilisten. Sie hatten ja noch nicht einmal Zeit für Flirts mit ihresgleichen.
Sie musste an einen flachsblonden Jungen denken, an sein freundliches Lächeln und seine starken Hände. Ihr wurde eng um die Brust. Gewaltsam schob sie die Gefühle, die Erinnerungen beiseite.
Sanft schloss Jet die Tür. Es wäre nicht gerade nett von ihr, den neuen Runner zurechtzuweisen, wenn sie jeder hören konnte. Sie räusperte sich und sagte: »Ich gehe doch davon aus, dass Sie genug Zeit hatten, meine Akte zu lesen.«
»Das habe ich.« Er lachte leise in sich hinein, als hätte sie etwas Niedliches gesagt. Frechheit!
Scharf fügte sie hinzu: »Dann sollten Sie wissen, dass ich jeden Abend um sechs Uhr, wenn ich keine anderen Verpflichtungen habe, 85 Gramm gegrilltes Hühnchen zu mir nehme –«
»Nur weißes Fleisch.« Sein Lächeln war viel zu unschuldig, um ihm zu vertrauen. »Sie bevorzugen die Brust. Hin und wieder gelüstet es Sie auch nach den Flügeln. Und dazu essen Sie eine Schale gekochte Möhren oder grüne Bohnen, eine halbe Schale Jasminreis oder ein Brötchen. Ich weiß. Wie ich schon sagte, ich habe Ihre Akte gelesen.«
Sie hob herausfordernd den Kopf, als sie zu ihm aufsah. Er war so groß … »Und warum bringen Sie mir dann nicht das Essen, das ich bevorzuge?«
»Weil ich dachte, es wäre nett, Sie zu überraschen.« Er hob die größere der beiden Tüten hoch, und der berauschende Duft, den sie verströmte, traf sie wie ein kulinarischer Faustschlag in die Magengrube. »Enchiladas mit Hühnchen, mexikanischer Reis. Kleiner Salat. Und …« Er hob die andere Tüte hoch, und sein Lächeln kündigte eine Gemeinheit an. »Wein. Pinot Grigio.«
Jet blinzelte. »So sieht mein Abendessen normalerweise nicht aus.«
»Heute schon.« Ohne ihr Einverständnis abzuwarten, ging er in die Küche und begann, die Tüten auszupacken. »Wo finde ich Teller und Gläser?«
»Augenblick mal«, erwiderte Jet nervös. »Ich habe noch nicht zugestimmt.«
»Das ist schon in Ordnung. Und außerdem ist es mir egal.«
Hatte er sie etwa gerade beleidigt? In ihrer eigenen Wohnung? Wie konnte er es wagen! Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Was, zum Teufel, erlauben Sie sich?«
»Ich mache Ihr Abendessen fertig.«
»Und ich sagte es Ihnen schon: Ich will dieses Essen nicht. Das alles«, fuhr sie fort und zeigte dabei auf die unorthodoxen Speisen und den Wein, »ist völlig inakzeptabel.«
Er hielt inne, eine eingepackte Schale noch halb in der großen Tüte. Er sah ihr direkt in die Augen und erwiderte: »Es gehört zu den Aufgaben eines Runners, die Bedürfnisse eines Außermenschlichen vorauszuahnen und sie zu erfüllen. Dazu brauche ich von Ihnen keine Erlaubnis.« Das Lächeln auf seinem Gesicht strafte den gleichgültigen Klang seiner Worte Lügen.
Jet öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann öffnete sie ihn erneut und spuckte die Worte förmlich aus: »Wie, zur Hölle, kommen Sie darauf, dass Sie meine Erlaubnis nicht brauchen?«
»In Ihrer Akte steht ausdrücklich, dass Sie zu speziellen Anlässen gerne mexikanisch essen und dazu ein Glas Weißwein trinken.« Sein Lächeln wurde breiter. »Ihnen ist heute der Humanitarian Award verliehen worden. Finden Sie nicht, dass dies ein spezieller Anlass ist?«
Nach einer bedeutungsschwangeren Pause räumte sie ein: »Sie haben sich ja wirklich Gedanken gemacht.«
Bruce tippte sich mit einem Finger an die Stirn. »So bin ich eben. Ich denke stets und ständig.«
Hm. Vielleicht war er ja wirklich so aufmerksam. Aber er war auch arrogant. Und das fand sie überhaupt nicht ansprechend, so sexy er auch sein mochte.
Mit verschränkten Armen stand sie da und beobachtete ihn dabei, wie er die
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