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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Mister Guardner, diese Statue Echnatons in der Halle: Ist sie echt?«
    »Ich vermute es, ja. Ich bin kein archäologischer Experte, nicht einmal ein passionierter Laie auf diesem Gebiet wie mein Vater. Aber gerade Echnaton hatte es ihm ganz besonders angetan. Eine Replik wäre für ihn sicher nicht in Frage gekommen.«
    »Weshalb gerade Echnaton?«
    »Es hat mit seiner Suche zu tun. Der Papyrus zeigt den Pharao, mit ihm hing seiner Meinung nach alles zusammen. Soweit ich verstehe, gibt Echnaton der Ägyptologie auch noch immer Rätsel auf.«
    »Das ist tatsächlich so«, erklärte Peter, während er sich einen Tee einschenkte.
    »Warum das?«, fragte Patrick. »Weil er eine Hühnerbrust, eingefallene Wangen und Schlitzaugen hatte?«
    »Sein Aussehen hat nur indirekt damit zu tun«, sagte Peter. »Erlauben Sie, dass ich etwas aushole: Echnaton stammte aus der achtzehnten Dynastie, etwa 1300 vor Christus. Das liegt etwa in der Mitte der Zeit der Pharaonen. Zu diesem Zeitpunkt blühte das Neue Reich. Die Kultur, ihre Überlieferungen, Rituale und Religion waren etabliert und hatten sich bereits seit eintausendfünfhundert Jahren weiterentwickelt. Es gab seit jeher viele Götter in Ägypten: für die verschiedenen Aspekte der Welt, des Lebens und des Sterbens, Lokalgottheiten und sogar Gottkombinationen. Aus scheinbar heiterem Himmel entschied sich nun ein Pharao, Amenophis IV., einen dieser Götter, Aton, hervorzuheben und zum höchsten aller Götter zu machen. Das hatte es bisher nie gegeben. Selbst der Schöpfergott Ptah oder der Staatsgott Ra hatten nie zuvor eine solche Stellung gehabt. Und als sei das nicht genug, änderte Amenophis IV. einige Jahre später seinen Namen in Echnaton, der Aton nützlich ist, und verbot die Anbetung der anderen Götter. Sie können sich vorstellen, dass das ein ziemlicher Schock für die Ägypter war.«
    »Merkwürdiger Typ«, stimmte Patrick zu. »Wie kam er auf diese Idee?«
    »Das weiß niemand. Echnaton ist nach heutigem Wissen der erste Religionsstifter der Geschichte gewesen. Sein Glaube durchdrang sein ganzes Wesen und Handeln, und er ließ nicht nur Malereien, Statuen und Reliefs der alten Götter vernichten. Er verfügte auch, dass die Kunst ab sofort statt der bisher symbolischen die naturalistische Darstellung bevorzugen solle. Es sollte nicht mehr das Prinzip oder die Idealisierung einer Sache dargestellt werden, sondern die Wirklichkeit. Auf Bildern sah man nun Echnaton im Kreis seiner Familie, intim und privat, und seine Gestalt wurde ebenfalls so naturgetreu wie möglich gemalt. Daher ist Echnaton auch immer eindeutig zu identifizieren: Kein anderer Pharao vor ihm oder nach ihm wurde so gezeigt.«
    »Dann sah er wirklich so verunstaltet aus?«
    Peter schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Auf jeden Fall malte man aber nicht mehr so stilisiert. Hinzu kommt, dass man versuchte, in der Gestalt Echnaton das gleichermaßen männliche wie weibliche Prinzip Atons als Vater und Mutter der Welt unterzubringen, weswegen er manchmal aussieht wie ein Hermaphrodit oder aber völlig geschlechtslos. Da er aber Töchter hatte, kann zumindest dies nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Seine Frau war übrigens die berühmte Nofretete. Noch heute ist überliefert, wie schön sie gewesen sein soll, und trotzdem sieht sie auf den Bildern ähnlich verzerrt aus wie ihr Mann.«
    »Echnaton war also so eine Art religiöser Revolutionär, hm?«
    »Es war mehr als eine Revolution. Er entzog seinem Volk quasi den Boden unter den Füßen. Bisher erfüllten die Götter wichtige Funktionen. So war beispielsweise die Nacht bisher die Zeit, in der die Sonnenbarke durch die Unterwelt fuhr und dort gegen das personifizierte Chaos, die Schlange Apophis, kämpfte, um zu siegen und am Morgen neu geboren zu werden. Nun, indem Aton mit der Sonnenscheibe gleichgesetzt wurde, war die Nacht eine Zeit der Leere, des Entsetzens, bodenlos und ohne Sicherheit. Es war keine Erlösungsreligion, nichts versprach den Menschen ein Seelengericht oder ein ewiges Leben. Noch dazu gab es keine Möglichkeit des Kontakts zu dem neuen Gott, denn er sprach allein durch Echnaton, und dessen Wort wurde Gesetz.« Peter bemerkte, dass Guardner ihn die ganze Zeit aufmerksam beobachtete und dabei nickte, ganz so, als kenne er die Geschichte. Wahrscheinlich war es ja auch so, überlegte Peter. Dann fuhr er fort: »Als Nächstes baute er eine neue Hauptstadt, Achetaton, Horizont des Aton , heute bekannt als Amarna, und entzog den

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